Mondragon zu Gast bei Raiffeisen

Die Feierlichkeiten zum 200. Geburtstag, des am 30. März 1818 in Hamm/Sieg geborenen, bedeutenden deutschen Sozialreformers werfen vor Allem in seiner Geburtsstadt schon ihre Schatten voraus. So hatte das marienthaler forum am 24. Februar im Kulturhaus Hamm Dr. Hans Harms aus San Sebastian zu Gast, der über Mondragón im Baskenland – eine Genossenschaft als Globaler Player referierte. Ulrich P. Schmalz, die seit Jahrzehnten rührige Triebfeder des marienthaler forum www.schmalz-wissen.de begrüßte zusammen mit dem Co-Veranstalter, Landespfarrer Peter Mörbel, Studienleiter an der Evangelischen Akademie im Rheinland www.ev-akademie-rheinland.de und dort verantwortlich für die Themenbereiche Wirtschaft und Soziales, in angenehm knapper Form und ließ damit mehr Raum für den Gastredner.

Der bärtige Friesen-Hüne war vor gut 30 Jahren als Student mit einem VW Bully aus Jever nach San Sebastian gereist, machte seinen Doktor der Philosophie und blieb als Berater für soziale Projekte und als bei der Stadtverwaltung beschäftigter Stadtsoziologe dort hängen.  So ist er seit 1995 als selbständiger Berater|Repräsentant von CitCon-Wuppertal in Spanien Leiter von Planungszellen in verschiedenen Ländern und Kommunen u. A.: St. Quirze de Vallès/Barcelona; Calafell/Tarragona; Irun/Baskenland; Remscheid/ Deutschland; Brabant-Wallonien/Belgien; San Sebastián/Baskenland. Vor diesem Hintergrund wusste er kompetent und amüsant von Charts und Videofilm unterstützt über die MCC Mondragón Corporación Cooperativa www.mondragon-corporation.com/de zu berichten, welche die größte Genossenschaft und das siebtgrößte Unternehmen Spaniens und mit Sitz in Mondragón im Baskenland global in der Rechtsform S. Coop. (Genossenschaft) tätig ist, wobei mit mehr als 100 Unternehmen in 258 Geschäftsbereichen, wie Maschinenbau, Automobilindustrie, Haushaltsgeräte, Bauindustrie, Einzelhandel (u. A. Supermarktkette Eroski), Banken und Versicherungen, mit 74.335 MitarbeiterInnen ein Umsatz von € 12,11 Milliarden (2015) ausgewiesen wird. Auch 15 Technologiezentren gehören zum MCC Verbund, der damit nach eigenen Angaben die größte Produktiv-Genossenschaft der Welt ist.Was verbirgt sich hinter MCC? HUMATITY AT WORK steht nicht von ungefähr in Grossbuchstaben auf dem Firmenlogo. Wie soll das gehen ist die erste Frage die sich aufdrängt denn was gerade haben die vier Hauptgeschäftsfelder Finanzierung, Industrie, Handel und Wissen bitte mit Humanität zu tun?Dr. Harms erklärt verständlich, warum die Gesellschaftsform der Cooperative im Baskenland so ausgeprägt ist. Es gab keine großen Industrieansiedlungen und somit keine massenhafte Beschäftigung, die Menschen haben sich daher zusammengetan, um gemeinsam für ihr Überleben zu sorgen.Die 1956 erfolgte MCC Gründung geht auf den Priester José María Arizmendiarrieta zurück, der – von den offiziellen Stellen ungeliebt – nach einer Gefängnisstrafe in diese ehemals arme Region verbannt wurde.Dort begann er auf Basis der hunderte Jahre alten Metalltradition ein Berufsschulprojekt, um den Jugendlichen eine Lebenschance zu eröffnen, wobei 4 von diesen Ausgebildeten die erste Cooperative begründeten. Nach Ablehnung seitens der spanischen Banken aus dem fernen Madrid wurde eine eigene gegründet und erfuhr über den regionalen Charakter starken unterstützenden Zuspruch, zählt heute zu einer der führenden Institute Spaniens.Gleiches Procedere vollzog sich, nachdem auch die Sozialversicherung eine Aufnahme ablehnte.  Im Mittelpunkt allen Denkens und Handelns stehen die Sicherheit der Arbeitsplätze, Bildung und Innovation, wusste Dr. Harms ebenso zu berichten, als von einem maximalen Schlüssel 1 : 6 bei der Entlohnung von Mitarbeitern zu den Führungskräften, was überdurchschnittliche und gleichzeitig stabile Vergütungen gewährleistet. Der Erfolg der Cooperative zeigt sich zudem in Krisenzeiten, durch die MCC oder Teile seiner Mitgliedsunternehmen steuert, ohne dass die Mitarbeiter alleine die Zeche bezahlen, indem gemeinsam der Gürtel enger geschnallt wird, bis die Kurve wieder aufwärts geht. Dr. Harms belegt darüber hinaus anhand einiger OECD Statistiken, das HUMANITY AT WORK sowohl funktioniert, als absolut ernst gemeint ist. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist messbar und im Baskenland höher als in Spanien.Die positive Differenz des weltweit in führenden Positionen liegenden Baskenland zu Spanien muss also – da die mediterranen Bedingungen gleich sind – andere Indikatoren haben.Stressbedingte Zivilisationskrankheiten sind weitaus seltener, der Gesundheitszustand ist besser, das Durchschnittseinkommen höher, die Work/Life Balance ausgeglichen.Ja: es gibt sogar einen Wohlfühlindex in dem die Basken führend sind. Das Modell Genossenschaft funktioniert und ist damit der festen Überzeugung von Dr. Harms folgend, zur Nachahmung empfohlen.Es kommt bei MCC Mondragón Corporación Cooperativa nicht darauf an, was die Unternehmen produzieren oder leisten, sondern wie die Betriebe arbeiten und wie ihre Mitarbeiter und Teilhaber sich mit ihrer Arbeit, mit ihrem Projekt identifizieren. Ein wichtiges Kriterium ist die Betriebsgröße.Genossenschaft funktioniert nur in überschaubaren Betriebseinheiten. Wenn also ein Unternehmensbereich zu groß wird, folgt eine natürliche Zellteilung und ein neuer Geschäftsbereich entsteht.Darum besteht die 1956 gegründete Genossenschaft inzwischen aus 258 selbständigen Geschäftsbereichen, ist weltweit tätig und in vielen Segmenten da bei Marktführer oder Systemlieferant.

Damit die guten Ideen und der Nachwuchs nicht ausgehen verfügt der Unternehmensverbund über eine eigene Universität, deren Ausbildungsschwerpunkt von typischen Universitätsprogrammen abweicht. Es geht hier nicht darum den eher egoistischen Einzelkämpfer zu fördern – sondern um echte gelebte Cooperation um eine Miteinander-Gesellschaft. So haben die Studenten die Aufgabe während ihres Studiums eine Cooperative, also eine Genossenschaft, zu gründen und mit Leben zu erfüllen indem die Studenten eine gemeinsam entwickelte Geschäftsidee entwickeln und diese gemeinsam umsetzen. Am Ende des Studiums wird das Betriebsergebnis bewertet.

MCC simuliert so quasi eine postkapitalistische Gesellschaft.Anstelle versteckter Kapitalismuskritik ein hoch interessanter und wohl einzig Ziel führender Zukunftsansatz, denn die Industrialisierung ist erfolgreich abgeschlossen. Der Industriegesellschaft folgte die Dienstleistungsgesellschaft und der freie Markt mit dem Jedermann-Unternehmer und einer Vielzahl von prekären Arbeitsplätzen. Was aber ist und vor Allem wird, wenn die Konsumenten aufwachen, sich ihrem regulativen Kraftpotential besinnen und nicht mehr mitspielen, sondern über den Konsum steuern?

Gerald Wiegner Vorstand  der igenos e. V. Interessengemeinschaft der Genossenschaftsmitglieder aus Bullay www.wir-sind-die-volksbank.org, kann von solchen Gegebenheiten in Deutschland nur träumen, da seine Organisation teils haarsträubende Defizite bei den über die Jahre negativen Ausuferungen aufdeckt, sowie dagegen angeht. Dies sowohl gegen den Widerstand von Gewerkschaften und Politik, wie natürlich der, ihre Pfründe sichern wollenden Genossenschaftsorgansiationen. Letztere resultieren dabei aus höchst bedenklichen Handlungsweisen in bester Gutsherrenmanier, sowie zu Lasten der Mitglieder, welche sowohl von Ihren Rechten zu wenig wissen, als über die Machenschaften zu ihren durchaus erheblichen Nachteilen im Unklaren gelassen werden. .

So wurde Josef Zolk, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft e. V. www.raiffeisen-gesellschaft.de immer blasser, angesichts seiner Anwesenheit, wie dieser never ending baskischen Erfolgsstory und es blieb auch äußerst blass, dass er als deutsches Pendant nur zur Gründung von Schülergenossenschaften zu berichten wusste, welche eher einen fragwürdigen Ansatz der Konzerne zum noch früheren Abgreifen von Know how beinhalten, als dies bei diversen Start up Initiativen mit Focus auf Studenten der Fall ist, denn zur wirklichen Etablierung des Genossenschaftsgedanken beitragen.

Die ist absolut bedauerlich, denn Mondragón liefert ebenso beredtes Beispiel dafür, dass uns das oftmals so belächelte Ausland einmal mehr einen Schritt voraus ist und die Ideen des Kommunalbeamten Friedrich Wilhelm Raiffeisen, der zu den Gründern der genossenschaftlichen Bewegung in Deutschland gehört und Namensgeber der Raiffeisenorganisation ist, aktueller sind denn je und die eigentlichen Antworten auf die gesellschaftlichen Verwerfungen der Gegenwart bietet.

Mehr als nur lohnenswert also, nicht nur das 200jährige Geburtstagsjubiläum zu feiern, sondern die Wiederentdeckung und Verbreitung des Genossenschaftsgedanken zukunftsweisend zu propagieren und realisieren!
Die Cooperationsgesellschaft hat andere Wertvorstellungen und ist somit die konsequente Fortsetzung des Entwicklungsprozesses. Es geht nicht mehr darum, dass wie bei einer Personengesellschaft Alle für das Einkommen der Eigentümer arbeiten oder in der Kapitalgesellschaft abhängig sind von dem Wohlwollen der Börse, sondern um Verantwortung für den Mitmenschen und die gemeinsame Entwicklung wie Realisierung tragfähiger Projekte.

Das über MCC eine eigene Bank und ein eigenes Sozialversicherungssystem besteht ist dort schon selbstverständlich. Aber darum geht es gar nicht, es geht um eine eigene Bank ebenso der Menschen die hinter der Drehbank stehen oder an den Schalthebeln der Konzernzentrale sitzen. Ein Unternehmen das ohne Stechuhren und über das Kollektiv logischerweise auch ohne die überholten und versagenden Gewerkschaften auskommt, damit auch der Politik und den Lobbyisteneinflüssen die Stirn bieten kann.

Eine Gesellschaftsform bei deren Chefs von den Mitarbeitern abgewählt werden können, statt mit einer Abfindung weggelobt und deren Gehaltssteigerung – ausgehend vom maximal 6-fachen des Durchschnittsgehalt – direkte positive Auswirkungen auf die Belegschaft hat.

Ein Unternehmen, das den Mitarbeitern gehört und diese am Unternehmenserfolg beteiligt, jedoch auch bei Durststrecken mit in die Verantwortung nimmt. Rückhaltlose Transparenz, Vertrauen und Mitbestimmung, sichere Arbeitsplätze und eine ausgeglichene Work/Life Balance sind die höchsten Ziele. Dass diese auch erreicht werden spiegelt sich im überdurchschnittlichen Lohnniveau und an unterdurchschnittlichen Fehltagen.

In Katalonien, einer nach Unabhängigkeit strebenden spanischen Provinz, gehören die Genossenschaften zum Alltag. Das Gefühl seine Arbeitskraft am Markt verkaufen zu müssen oder die Angst einen Arbeitsplatz zu verlieren widerspricht dem Konzept spanischer Humanity at work und kann nicht nur, nein muss auch ein Signal für andere europäische Staaten, selbstverständlich auch Deutschland werden!

War industrielle Konditionierung lange ein Vorteil für die hiesige Konzernwirtschaft schlägt es jetzt – nahezu 5 vor 12 – endlich ins Gegenteil um. Die breite Bevölkerungsschicht, bislang auf stumpfsinnige Masse von Befehlsempfänger getrimmt, deren Haupanliegen es ist, nicht aufzufallen, hat es allein selbst in der Hand: kein politischer Messias wird es bringen!

Der Referent: Kompetenzstationen von Dr. Phil. (Universität de Witten/Herdecke), Dipl rer. soc. (Diplom Sozialwissenschaftler, Bergische Universität Wuppertal) Hans Harms

1980 Stipendium des DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst) zur Durchführung einer Studie zur Situation reemigrierter Gastarbeiterkinder in Spanien, zur Erlangung des Diploms

1982 – 1983 Stipendium des DAAD zur Durchführung einer Analyse von Strafgerichtsurteilen am Instituto Vasco de Criminología in San Sebastián

1984 – 1986 Reiseleiter für verschieden deutsche und ausländische Reiseagenturen

1986 – 1988 Wiss. Mitarbeiter am „Zentrum für Europäische Rechtspolitik” (ZERP), Universität Bremen

1988 – 1993 Wiss. Mitarbeiter am „Laboratorio de Sociología Jurídica de San Sebastián”

1993 – 1994 Co-Direktor und Partner des “Laboratorio de Estudios Sociales-Gizarteaz, S.L.”

Mitgliedschaften: “governing board” des Research Committee 26 (Sociotechnics-Sociological Practice) der “International Sociciological Assocoation (ISA); “Alliance pour un monde responsable, solidaire et plural” Fondation Charles Leopold Mayer pour le Progrès de l’Homme, Lausana-Paris

Erich Neumann, freier investigativer Journalist
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