Bullay / Celle 29.Juni 2020. Unliebsamen Genossen – gemeint sind hier z.B. die Mitglieder einer Genossenschaftsbank – die viele kritische Fragen stellen, wurden bislang häufig mit der Kündigung der Kontoverbindung abgestraft. Nachdem die Bankverbindung aufgelöst war, wurde das Mitglied dann entsorgt bzw. ausgeschlossen. Denn mit der Kündigung der Kontoverbindung verschaffte sich die Bank selbst den Grund für einen Ausschluss. Die Begründung für den Ausschluss war laut igenos e.V. der Interessenvertretung der Genossenschaftsmitglieder weitgehend gleichlautend: Das Genossenschaftsmitglied nimmt die genossenschaftlichen Einrichtungen nicht in Anspruch (§ 9 Abs. 1 Buchstabe f der Satzung).
Berufen konnte sich die Genossenschaft bislang auf ein BGH-Urteil aus dem Jahre 1977. Im Jahr 1977 urteilte der Bundesgerichtshof, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der damals beklagten Genossenschaftsbank es dieser gestatten, die Bank- und Geschäftsverbindung eines Genossenschaftsmitglieds der Bank zu kündigen.
Diese Praxis hat das OLG Celle mit dem Beschluss vom 8.Juni 2020 GZ 20 U 45/19 beendet. Dem OLG war es offensichtlich ein Bedürfnis, hier mal mit der Legende aufzuräumen, der BGH habe entschieden, dass auch jedem Genossenschaftsmitglied ohne das Vorliegen von Kündigungsgründen und ohne die Beachtung von Satzungsrecht und genossenschaftsrechtlichen Grundsätzen die Bankverbindung nach Lust und Laune abgeschnitten werden kann. Das OLG bestätigte zwar das BGH Urteil, d.h. die damalige Kündigung war rechtmäßig, da ein drohender Kreditausfall die Genossenschaft laut Satzung auch zur Kündigung der Mitgliedschaft berechtigt hat (§ 9 Abs. 1 Buchstabe c der Satzung).
Dies war jedoch im neuen Rechtsstreit nicht der Fall. Es handelte sich offenbar nur um den Versuch, einem unbequemen und fusionskritischen Mitglied die Geschäftsverbindung zu kündigen um dann anschließend – wenn sich das Mitglied nicht gewehrt hätte – wie immer in solchen Fällen, die Kündigung der Mitgliedschaft wegen Nichtinanspruchnahme der Leistungen der Genossenschaft aussprechen zu können.
Dank der Wehrhaftigkeit des Mitglieds wissen wir nun, dass das Mitglied „für die Dauer seiner Mitgliedschaft in der Genossenschaft einen Anspruch auf Einrichtung eines Kontos hat. Gemessen am Gleichbehandlungsgebot und § 11 Satz 1 der Satzung ist die ordentliche Kündigung (§ 19 Abs. 1 der AGB) nämlich widersprüchlich und verstößt gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Unmittelbar im Anschluss an die Kündigung wäre die Verfügungsbeklagte über § 11 der Satzung in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgebot nämlich wieder verpflichtet, dem Verfügungskläger ein neues Konto einzurichten oder die Kündigung rückgängig zu machen. Für ein solches Verhalten der Verfügungsbeklagten besteht kein schutzwürdiges Interesse.“
Und gleichermaßen wissen wir nun auch: „dass die Verfügungsbeklagte nicht durch nachträgliche AGB-Regelungen höherrangiges Satzungsrecht aushebeln kann. Zum Wesen der Genossenschaft und zum Kernbestand des Genossenschaftsrechts gehört es, dass die Genossenschaft den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder fördert (§ 1 Abs. 1 Satz 1 GenG). Gemäß § 2 Abs. 1, Abs. 2 der Satzung der Verfügungsbeklagten in Verbindung mit § 6 Nr. 2 GenG hat die Verfügungsbeklagte die wirtschaftliche Förderung und Betreuung ihrer Mitglieder durch Leistung banküblicher Geschäfte zu ihrem Genossenschaftszweck bestimmt. Gemäß § 2 Abs. 2 Satzung zählen hierzu die Annahme von Spareinlagen, die Gewährung von Krediten, die Durchführung von Treuhandgeschäften, die Durchführung des Zahlungsverkehrs, die Vermögensverwaltung und die Verwaltung von Wertpapieren. Gemäß § 11 Satz 1 der Satzung hat jedes Mitglied das Recht, nach Maßgabe des Genossenschaftsgesetzes und der Satzung die Leistungen der Genossenschaft inAnspruch zu nehmen.“
Fazit: Solange deshalb kein Ausschlussgrund nach § 9 Abs. 1 Satzung vorliegt, kann eine Genossenschaftsbank dem Mitglied die Bankverbindung nicht kündigen. Auch nicht wenn es dem Vorstand kritische Fragen stellt.
igenos e.V. Interessenvertretung der Genossenschaftsmitglieder, Autor Georg Scheumann, genossenschaftlicher Bankbetriebswirt.
Ähnlich gelagerte Vorgänge sind der Redaktion auch aus den größeren Wohnungsgenossenschaften bekannt. Die Initiative Genossenschaft von unten“ stellt die Machtposition der Verbände ebenfalls in Frage. Bei Wohnungsgenossenschaften geht es nicht um die Kündigung der Kontoverbindung, sondern um die Nutzungsrechte am gemeinsamen Eigentum. Unliebsame Genossen werden zuerst aus ihrer Genossenschaft ausgeschlossen, anschließend wird die Nutzungsvereinbarung gekündigt.
Auch die wohnungswirtschaftlichen Genossenschaftsverbände vertreten ausschließlich die Interessen der ihnen angeschlossenen Genossenschaften.
Allerdings können die Mitglieder im Rahmen einer Vollversammlung ihren Prüfungsverband wechseln. Ob hierfür auch eine Satzungsänderung notwendig ist, hängt von der Satzung selbst ab. Die Durchsetzung der Mitgliederinteressen wird durch Mustersatzung der GdW Verbände zunehmend erschwert.
2 Kommentare.
Genossenschaften sind nach dem Genossenschaftsgesetz (GenG) NICHT als gemeinnützig einzustufen. Genossenschaften haben den gesetzlichen Auftrag ihre Mitglieder zu fördern. Nutzen Sie die Suchfunktion der GenoNachrichten Stichwort: Mitgliederförderung oder Förderauftrag.
https://www.genonachrichten.de/foerderzweck-verfehlt-mogelpackung-genossenschaftsbank/ Das Buch ist inzwischen auch gegen eine Schutzgebühr zum download erhältlich
Ich bin seit 40 Jahren Kunde bei der VOBA D heute RA .Ich hatte bis vor einigen Jahren viele Geschäftsbeziehungen zu dieser Bank und bin Genossenschaftsmitglied und habe Geschäftsanteile .Im laufe der Jahre hat sich die Verbindung verlagert. Ich habe hier kein Konto mehr, nur noch Bausparverträge. Meine neue Bank ist heute die VOBA E. Auch hier habe ich Anteile. Im August diesen Jahres habe ich einen Brief zur Anhörung vor Ausschluss eines Mitgliedes erhalten.Ich habe der Bank fristgerecht geantwortet, da ich es für nicht angebracht gehalten einem Mitglied so einfach zu kündigen.Nach einem Tel Gespräch mit einem Sprecher der Geschäftsführung der Voba D war mir sofort klar, das der Ausschluss beschlossen war. Am 22 September habe ich dann auch den Beschluss erhalten. Ich habe ein neues Schreiben verfasst, das ich der Bank zukommen lassen werde. Am meisten hat mich verwundert, das man noch nicht mal ein Angebot macht, wie man einen Ausschluss abwenden kann. Auch langjährige Mitglieder so zu behandel ist die Höhe und einer Genossenschaftsbank die sich dem Genossenschaftsgedanken zu eigen macht nicht würdig. Hat dies noch mit Solidarität zu tun? Ist diese Bank noch als Gemeinnützig anzusehen. Was kann ich noch tun einen Ausschluss abzuwenden?