Jena/Berlin, 13. Juli 2017 (geno) Bauernkrieg. Erst vor genau einem Jahr haben Fernsehreporter des MDR in einem sorgfältig recherchierten TV-Beitrag auf eine Zeitbombe hingewiesen, die seit der deutschen Wiedervereinigung in Ostdeutschlands Ackerböden schlummert. Dennoch versuchen insbesondere die Landespolitiker der betreffenden Bundesländer den Mantel des Schweigens über die brisanten und explosiven Vorgänge und Dokumente zu breiten. Sie werden einfach unter Verschluss gehalten. Nur hin und wieder flammt Brandgeruch auf und es droht eine offene Eskalation. Es geht um die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) der DDR, die von 1990 bis 1991 in marktwirtschaftlich organisierte Agrarbetriebe umgewandelt werden sollten. Das Statistische Jahrbuch der DDR wies im Jahr 1989 die Existenz von 3.844 LPG aus. Sie bewirtschafteten 87 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche. Jedoch standen nur 0,4 Prozent dieser Fläche im Eigentum von Genossenschaften.
Einen entscheidenden Impuls zu einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion darüber löste Prof. Walter Bayer von der Universität Jena aus, der Anfang der 2000er Jahre eine grundlegende Analyse vorlegte, nach der die übergroße Mehrzahl dieser Genossenschaften juristisch nicht korrekt umgewandelt wurden und mit gravierenden Fehlern behaftet sind. Eine Liste von mehr als 100 aus LPG entstandenen Landwirtschaftsbetrieben nennt Agrarunternehmen, die es aus diesen Gründen de facto gar nicht gibt. Ein Rechtsanwalt aus Bautzen hat in einem Präzedenzfall die juristische Auseinandersetzung so weit getrieben, dass ein höchstrichterliches und vernichtendes Urteil über dieses Phänomen vorliegt. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) das Vermögen eines solchen Großbetriebes in Sachsen als nicht rechtswirksam eingestuft. Im Klartext heißt das: der Betrieb wirtschaftet über Jahrzehnte auf Land, das ihm gar nicht gehört.
Dass die über fast drei Jahrzehnte ignorierte Pest-Beule doch einmal platzt, ist jederzeit möglich. Zumal es sich bei den damaligen Umwandlungen um sehr konfliktträchtige und hoch emotional ausgetragene Vorgänge handelte. Kaum jemand wird das vergessen. Teilweise entstand damals der Eindruck, dass im Osten Deutschlands aufgrund der mit äußerster Härte geführten Auseinandersetzungen ein „Bauernkrieg“ tobt. Er könnte wieder ausbrechen. Der Genossenschaftsgedanke wird dann wohl einer ungewohnten Feuerprobe unterzogen. ++ (lw/mgn/13.07.17 – 140)
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