Leipzig, 16. Mai 2019 (geno). Dass Genossenschaftsrecht in der anwaltlichen Praxis unterbelichtet ist und nur eine geringe Rolle spielt, lässt sich kaum bestreiten. Das bestätigt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Anwaltsvereins (DAV), Rechtsanwalt Philipp Wendt, am Donnerstag in einem Gespräch am Rande des „Anwaltstages 2019“ in Leipzig gegenüber der Redaktion GenoNachrichten. Es sei darüber nachzudenken, wie das Wissen über genossenschaftliche Rechtsetzung seitens der Anwaltschaft vertieft und stärker angewandt werden kann. Ein Weg könne die Fortbildung in der Anwaltsakademie sein. Auch frühe Spezialisierungen auf Genossenschaftsrecht junger Rechtsanwälte seien eine Möglichkeit, um die rund 22 Millionen Genossenschaftsmitglieder in Deutschland besser juristisch zu beraten und vor Gericht anwaltlich zu vertreten. Wendt zeigte sich hinsichtlich dieses Themenkreises sehr offen gegenüber Vorschlägen und Projekten von außen. Außerdem ließ er wissen, dazu innerhalb des Deutschen Anwaltsvereins eine Diskussion zu eröffnen und konkrete Lösungswege zu skizzieren.
Die Bonner Rechtsanwältin Sabine Gries-Redeker, die dem DAV-Ausschuss Aus- und Weiterbildung vorsteht, äußerte sich zurückhaltender. Es sei kaum möglich, alle Spezialgebiete des Rechts seitens des Verbandes gleichermaßen zu fördern. Bereits jetzt gebe es etwa 24 Fachanwaltschaften. Bedauerlicherweise würden die klassischen sozialrechtlichen Sektoren wie Renten- und Krankenversicherungsrecht etwas stiefmütterlich behandelt. Gleiches gelte auch für Genossenschaften, Vereine und Stiftungen. Eine stärkere Ausrichtung schon während eines Jurastudiums sei angesichts des schon bestehenden breiten Themenspektrums nicht zu schaffen. Allerdings würden die Studenten schon während ihres Studiums – insbesondere nach dem zweiten Staatsexamen – darauf „orientiert und dazu befähigt, sich in andere Rechtsgebiete intensiv einzulesen“. Das gelte auch für das Genossenschaftsrecht. Gries-Redeker räumte ein, dass andere Länder – beispielsweise Österreich und osteuropäische Staaten – auf diesem Gebiet wohl mehr Traditionen und günstigere Voraussetzungen aufzubieten hätten. Die Stadt Wien sei dafür ein überzeugendes Beispiel.
Beispiele warum Genossenschaftsrecht als Fortbildungsgegenstand von Anwälten ein Thema seien sollte, finden sich immer wieder in den Genonachrichten.
So werden Mitglieder von Wohnungenossenschaften und Bankgenossenschaften in ihren genossenschaftlichen Rechten beschnitten. Aber auch Genossenschaften wehren sich Bevormundung durch ihre Genossenschaftsverbände. Verbände haben Probleme mit den Aufsichtsbehörden. oder stellen die Sinnhaftigkeit der Zwangmitgliedschaft offen in Frage.
Ein weiteres Thema ist die missbräuchliche Nutzung des Rechtsmantels der eingetragenen Genossenschaft. ++ (ju/mgn/15.05.19 – 094)
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