Berlin, 14. Juni 2019 (geno). Berliner Mitgliedern der Initiative „Genossenschaft von unten“ ist jetzt ein Förderbescheid der FreiwilligenAgentur Marzahn-Hellersdorf zugegangen. Damit wird eine einmalige Aktion der basisdemokratischen Genossenschenschafts Initiative staatlich finanziell unterstützt. Die Mittel stammen aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben !“, das aus dem Etat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gespeist wird. Der Antrag wurde im Februar 2019 von igenos eingereicht und nach mehrfacher Nachbesserung bewilligt.
Inhalt der einmaligen Aktion ist eine gezielte Umfrage unter der örtlichen Bevölkerung nach Aspekten genossenschaftlicher Tätigkeit und Wissen über die Genossenschaftsidee. Die Befragung soll am 6. Juli 2019 stattfinden – dem von den Vereinten Nationen als Internationaler Tag der Genossenschaften ausgerufener Termin. Mitglieder der Initiative „Genossenschaft von unten“ entwerfen nun einen Fragebogen, aus dem möglichst viele Erkenntnisse zur deutschen und internationalen Genossenschaftsbewegung gewonnen werden sollen.
Die Genonachrichten berichteten mehrfach über die Initiative der Berliner Wohnungsgenossen.
Auch in Hamburg haben sich bereits Mitstreiter gefunden. Der Name ist Programm. Genossenschaft von unten Hamburg. In vielen anderen Ballungsräumen entwickeln sich neue Interessengemeinschaften der Genossenschaftsmitglieder, die sich für ihre Rechte einsetzen und Umfragen organisieren. Die Zielsetzung ist weitgehend identisch. Die Probleme auch. Es geht z.B. über mehr Mitsprache bei Investitionen und der Nutzungsgebühr (Miete) eine genossenschaftliche Rückvergütung und die Kompetenz der Vertreterversammlung. Es geht aber auch um Transparenz, Mustersatzungen und um die Frage, wo bleibt das Geld der Genossen? Wird die Rechtsform Genossenschaft missbraucht? Im Hintergrund geht aber auch um die Macht und den Einfluss der Genossenschaftsverbände ++ (/mv/mgn/14.06.19 -111)
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Das Redaktionsteam würde sich freuen, wenn es von der Leserschaft geeignete Vorschläge für Fragen bis zum 4. Juli 2019 zugeschickt bekäme.
KOMMENTAR von igenos:
„Die genossenschaftlichen Prüfungsverbände überprüfen in regelmäßigen Abständen die wirtschaftlichen Verhältnisse und ordnungsgemäße Geschäftsführung der Genossenschaften. Sie tragen damit wesentlich zu ihrem wirtschaftlich stabilen und seriösen Charakter bei.“ so der DGRV.
igenos e.V., die Interessenvertretung der Genossenschaftsmitglieder, entgegnet: Diesen Job kann auch jeder unabhängige Wirtschaftsprüfer übernehmen, lediglich die “Förderauftragsprüfung” verlangt nach einem speziellen “Förder-Audit” und besonderen Kenntnisse.
Eine Verbandsmitgliedschaft sollte immer freiwillig sein – angestrebt ist ein offener “Förderleistungs-Wettbewerb” unter den Verbänden, von dem letztendlich die Genossenschaftsmitglieder profitieren. Es geht um die Umsetzung des genossenschaftlichen Förderauftrag (§ 1 GenG).
Die nicht unerheblichen Honorar-Kosten für die vom Gesetzgeber verordneten Verbandsleistungen werden allein von den wohnenden, mietzahlungspflichtigen Mitgliedern der Genossenschaft getragen. Warum sollten sich die Genossen ihren Prüfungs-Dienstleister nicht selbstbestimmt aussuchen dürfen?
Die Genossenschaftsverbände verfügen immer noch über ein staatliches Prüfungsmonopol und profitieren von den in Zeiten der national-sozialistischen Epoche eingeführten Zwangs-Mitgliedschaft (§ 54 GenG). Gesetzesänderungen aus dem Jahr 1934 dienten der Gleichschaltung und der zentralen Steuerung der Genossenschaften.
Daran hat sich bis heute nichts viel geändert. Unsere Genossenschaftsverbände sind “Berater” und gleichzeitig “Prüfer”, die dann aufwendig prüfen, ob ihre honorarpflichtigen Beratungs-Leistungen auch umgesetzt wurden. Die Verbände vertreten ausschließlich die Interessen der genossenschaftlichen Geschäftsführung. Mitglieder-Interessen werden dagegen häufig missachtet und schon durch Mustersatzungen ausgehebelt. Strategie, Unternehmenspolitik und die Zielvorgaben unserer Wohnungsgenossenschaften werden heute ohne Rücksicht auf die Interessen der Genossenschafts-Mitglieder vom GdW-Lobbyverband vorgegeben und von den regionalen GdW-Landesverbänden durchgesetzt. Das heißt, dass alle zentralen Entscheidungen werden „oben“ getroffen und „unten“ abgearbeitet werden müssen.
Transparenz und Partizipation sind Fremdwörter.
Wie sollen Genossenschaftsmitglieder abstimmen, wenn Ihnen die Hintergründe und Alternativen vorenthalten werden und die geheime Abstimmung oder Mitgliederumfragen versagt werden. Die Forderung „Demokratie leben“ hat auch im genossenschaftlichen Sektor höchste Relevanz.
Das gilt vor allem für den GdW, dem Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilien-Unternehmen e.V.
Der GdW ist auch die Interessenvertretung der Kapitalmarktorientierten Wohnungskonzernen und Aktiengesellschaften wie Vonovia. Das sind häufig auf Profitmaximierung ausgerichtete, große Fondsgesellschaften deren heutige Marktbedeutung wir der neoliberalen Politik des 20. Jahrunderts verdanken.
Ein Zielkonflikt ist vorprogrammiert.
Es ist im Interesse der Wohnungsgenossen das genossenschaftliche Verbandswesen komplett neu zu organisieren. Das ist auch dringend notwendig, denn unsere Genossenschaftsverbände führen sich wie die Eigentümer auf. Ihre Macht und ihr Einfluss haben immer mehr zugenommen hat. Es gilt das 1934 eingeführte genossenschaftliche Führerprinzip. Entscheidungen und Kontrolle von „oben nach „unten“. So wird deutlich wie die Genossenschaftsmitglieder entmachtet wurden und warum die Verbände von der Unwissenheit und Gleichgültigkeit bzw. dem Desinteresse der Genossenschaftsmitglieder profitieren. Ein Großteil dieser Aussagen lässt sich leider auch auf den genossenschaftlichen Bankensektor übertragen.
Gerald Wiegner, igenos e.V. ist Initiator der coopgo Bewegung und Mitinitiator des MMW-Coopgo Spitzenverbands. CoopGo steht für Cooperative Governance, ein Instrument analog der Corporate Governance.