Der genossenschaftliche Förderauftrag in der Corona-Krise

update 30.März 2020: Wir stellen den hier vorgestellten Beitrag: „Der genossenschaftliche Förderauftrag in der Corona Krise“ kostenfrei zum download bereit. Autor, Herausgeber,Verlag und die Arbeitsgruppe CoopGo wollen aus der Krisensituation keinen Profit generieren. Viele Solo-Unternehmer und KMU haben es zur Zeit schwer bei Ihrer Bank Gehör zu finden. Darum veröffentlich wir den kompletten Beitrag jetzt unter: https://www.igenos.de/mitgliederfoerderung Untersützen Sie bitte die GenoNachrichten mit einer kleinen Spende. Vielen Dank!

Ein Beitrag von Dr. Ludolf von Usslar. Die Volks- und Raiffeisenbanken betreuen rund 30 Mio. Kunden, wovon 18,5 Mio. Mitglieder sind. Sie sind im Gegensatz zu anderen Privatbanken gem. § 1 GenG verpflichtet, die wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder zu fördern und nicht den eigenen Gewinn, sondern uneigennützig den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Mitglieder, auch als „Member-Value“ bezeichnet, zu maximieren. Der Förderauftrag umfasst nicht nur die Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf jeden Genossen, sondern auch dessen aktive wirtschaftliche Förderung und findet seine Grenzen erst in den Erfordernissen der Genossenschaft als Selbsthilfeorganisation im Ganzen. Genossenschaftsbanken haben demnach ihr Verhalten an der bestmöglichen Förderung jeden Mitglieds, also auch solchen, die in wirtschaftliche Not durch die Corona-Krise geraten, unter der Nebenbedingung der Erzielung eines für die dauerhafte Zweckerfüllung notwendigen und hinreichenden Gewinns auszurichten.

Die weitgehende Stilllegung des öffentlichen Lebens bzw. dessen Erliegen mit der Schließung von Einzelhandelsgeschäften, Schulen und Gastronomie, der Absage von Großereignissen, Grenzschließungen und Produktionseinstellungen sowie tlw. Ausgangs- und Reisesperren führen zu erheblichen Umsatzeinbrüchen bei Unternehmen verschiedenster Branchen und Größen. Menschen reduzieren gewollt den physischen Kontakt zu anderen und fragen keine körpernahen Dienst- und Werkleistungen mehr nach. Das überwiegend klein- und mittelständisch geprägte Gastgewerbe ist existentiell betroffen aber auch Reisebüros, Fitnessstudios, Autowerkstätten und andere Kleinunternehmer haben markante Umsatzeinbußen. Landwirte werden aufgrund der Grenzschließungen nicht genug Erntehelfer haben und dadurch Schaden erleiden; Hunderttausende werden in Kurzabeit oder Arbeitslosigkeit geschickt, weil ihr Arbeitgeber seine Tätigkeit ganz oder zumindest überwiegend einstellt. Viele stationäre Einzelhändler, Gastronomen und Hoteliers aber auch betroffene Dienstleister sind klein und mittelständische Unternehmen, die Kunden und Genossen von Volks- und Raiffeisenbanken sind. 

Genossenschaftsbanken müssen dabei den ihnen auferlegten „Förderauftrag“ berücksichtigen, der auch die langfristige Sicherung der wirtschaftlichen Existenz des betroffenen Mitglieds umfasst, und dürfen deshalb dem Mitglied keine der von ihnen angebotenen Leistungen einschließlich der Vergabe oder Belassung von Krediten vorenthalten, die die ihm in Erfüllung des Förderauftrags als Vorteil zu gewähren ist. Der Vorteil besteht nicht nur in der Über- oder Belassung des Geldwerts, sondern auch im übernommenen Kreditausfallrisiko und des unter Berücksichtigung dieses Risikos vereinbarten Zinses. Demzufolge dürfen Genossenschaftsbanken, soweit es sich um mit Mitgliedern bestehende oder zu begründende Kreditverhältnisse handelt, nur die sog. Kreditrisikokosten (UL) als Kosten der Abweichung des erwarteten effektiven Verlusts über den bei Kreditvergabe kalkulierten Verlust minimieren. 

Eine Verpflichtung zur Gewährung von Überbrückungs- oder Sanierungskrediten aber auch anderen unterstützenden Maßnahmen besteht demnach nur, wenn die Bank keine zusätzlichen Wagnisse eingehen muss, die über die typischerweise bei einer Kreditgewährung an einen kreditwürdigen Genossen übernommenen Risiken hinausgehen.

Der Sanierungsbeitrag kann in Erfüllung des Auftrags zur Förderung des Erwerbs und der Wirtschaft des Genossen  auch über die Beseitigung der Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit hinauszugehen, soweit dies für die Fortführung von dessen Erwerbstätigkeit notwendig ist, aber die Übernahme unternehmerischer Risiken gehört nicht zu den typischen Bankgeschäften und damit auch nicht zu den Aufgaben der Volks- und Raiffeisenbanken.  Aus dem Förderauftrag ergibt sich daher keine Verpflichtung zur Teilnahme an Kapitalerhöhungen oder Umwandlung von Kreditforderungen in Eigen- bzw. Genussrechtskapital, sondern allenfalls eine zu Forderungsverzichten mit Besserungsschein, Stundungen bzw. Aussetzungen fälliger Zins- und Tilgungsleistungen oder der Freigabe von Sicherheiten zur Erlangung zusätzlicher Kredite und allenfalls zur Gewährung von Überbrückungs- oder Sanierungskrediten.

Da der Staat in der jetzigen Corona-Krise über die KfW bis zu 90 % des Ausfallrisikos für Betriebsmittelkredite übernimmt und die dafür notwendigen Liquidität in unbeschränktem Umfang zur Verfügung stellt, wird die Gewährung von Krediten an in Not befindliche Genossen über diese Programme abzuwickeln sein und nur höchst ausnahmsweise und allenfalls zur kurzfristigen Überbrückung von der Bank alleine erfolgen.
Auszug aus: igenos Genossenschaftsrecht: Dr.Ludolf von Usslar. Der genossenschaftliche Förderauftrag in der Corona-Krise Erscheinungsdatum April 2020 UDG-Publishing eG Bullay.
Neuauflage Problemkreditbetreuung. Besonderheiten für Genossenschaftsbanken und Sparkassen
2017. Erstauflage vergriffen.



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