Kiel, 18. September 2018 (geno). Ein europaweit einmaliges Wohnsiedlungsprojekt für Sinti und Roma ist die Maro Temm eG in Kiel. Die Baugenossenschaft existiert seit zehn Jahren und hat Vorbildcharakter. Sie hat sich als zukunftsträchtiges Modell bewährt, um den einen sehr eigenen Lebensstil pflegenden Sinti und Roma ein konfliktfreies, einvernehmliches und angenehmes Dasein zu ermöglichen. Die Rechtsform der Genossenschaft wurde für die Siedlung Maro Temm gewählt, weil es die künftigen Bewohner aktivieren sollte, sich an der Planung und Realisierung der Siedlung zu beteiligen. Die Überlegungen zu dem sehr komplizierten Vorhaben hatten bereits in den 90er Jahren begonnen.
Die Genossenschaft sollte aufgrund ihrer demokratischen Struktur eine für Sinti zugängliche Partizipationsmöglichkeit bieten. Allerdings erwies sich die Umsetzung als schwierig. Erst später wurde erkannt, dass das Genossenschaftsmodell nicht ausreichend erklärt und verstanden worden war. Dennoch wird die Genossenschaftsgründung bei allen jetzt als positiv aufgefasst. Wichtig war, dass sich schon im Planungsprozess ein geschlossenes Verantwortungsgefühl, Gemeinsamkeit und intensive Kommunikation von Sinti und Nicht-Sinti entwickelte.
Nachdem im Februar 2005 die Bewilligung der Investitionsbank Schleswig-Holstein über 1,8 Millionen Euro aus Mitteln des sozialen Wohnungsbaus erteilt worden war, erfolgte ab Frühjahr desselben Jahres die Ausschreibung. Nach der Auftragsvergabe wurde im Mai 2005 die Maro Temm eG formell gegründet. Sie ist als Dachgenossenschaft konzipiert, um später weitere Wohnprojekte für Sinti und Roma zu unterstützen. Der Vorstand bestand anfänglich überwiegend aus Sinti und der Aufsichtsrat mehrheitlich aus Nicht-Sinti. Von Anfang an war jedoch geplant, den Anteil der Nicht-Sinti zu senken, damit schließlich beide Gremien der Genossenschaft ausschließlich mit Sinti besetzt sind. Die Besonderheit, dass sich derzeit Sinti und Nicht-Sinti die Verantwortung für alle Belange teilen, gilt als Alleinstellungsmerkmal der Maro Temm eG, die aus 66 Mitgliedern besteht. Die drei Führungsgremien – Aufsichtsrat mit fünf Personen, Vorstand mit vier Personen und ein Sprecher der Hausgemeinschaft werden von insgesamt zehn Personen besetzt, von denen die Hälfte weder einen Wohnanspruch geltend macht, in der Siedlung lebt oder gemeldet ist, noch im Landesvorstand der Sinti und Roma vertreten ist. Der 70jährige Ewald Weiss erläutert das Erfolgsmodell: Wir haben selber gerodet und jetzt wohnen die Menschen seit zehn Jahren hier. Sie fühlen sich wohl. Die Siedlung ist ständig belegt von unseren Leuten. Dort haben sie ihre Sprache, Kultur und Tradition, die sie ausleben können, ohne dass der Nachbar sich aufregt, und es ist trotzdem eine offene Siedlung geworden. Es kann und darf jeder kommen.
Für Roma und Sinti sowie deren Nachbarn hatte sich die Unterbringung im Geschosswohnungsbau und in geschlossenen Wohnblocks als ungünstig erwiesen. So entstand die Idee, einen Komplex aus ebenerdigen, flachen Reihenhäusern mit großen Gemeinschaftsflächen und Platz für Gewerbe zu errichten – finanziert von der öffentlichen Hand und organisiert von einer selbstverwalteten Genossenschaft der Sinti und Roma. ++ (wg/mgn/18.09.18 – 186)
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