Leipzig, 22. August 2018 (geno). Das einst größte Kaufhaus der DDR namens „Konsument“ stand in Leipzig und befand sich in der Hand der Konsumgenossenschaften.
Der Volksmund nannte den riesigen Einkaufstempel, der am Mittwoch seinen 50. Geburtstag feiert, „Blechbüchse“. Das ist auf seine markanten Außenfassade zurückzuführen. Sie bestand und besteht aus einer aufällig geschwungenen, mit glänzenden Aluminium-Elementen verkleideten Konstruktion. Dahinter verbarg sich das 1907/08 gebaute, von dem bekannten Leipziger Architekten Emil Franz Hänsel für das Handelsunternehmen Messow & Waldschmidt entworfene historische „Kaufhaus am Brühl“, in dem 1927 die erste Rolltreppe der Stadt Leipzig installiert worden war.
1933 gab es die ersten Boykott-Aufrufe gegen die jüdischen Eigentümer. Sie wurden drei Jahre später im Zuge der Arisierung von den Nationalsozialisten gezwungen, Haus und Grundstück am Brühl 1, das im Jahr 1813 Geburtsadresse des Komponisten Richard Wagner war, zu veräußern. Käufer war der Kölner Kaufmann Rudolf Knoop und der Berliner Justitiar Walter Ahlburg. Im Zweiten Weltkrieg wurde die ursprüngliche Fassade weitgehend zerstört und Knoop später enteignet. Die Leipziger Konsumgenossenschaft eröffnete in dem notdürftig wiederhergestellten Gebäude 1946 ein „Warenhaus des Friedens“. 1965 bis 1968 erfolgte mit der generellen Neugestaltung des gesamten Straßenzuges eine deutliche Erweiterung und Modernisierung. Dazu zählte bemerkenswerterweise eine neue Rolltreppe aus Schweden.
Schließlich standen in der „Blechbüchse“ auf fünf Geschoss-Ebenen 11.500 Quadratmeter Verkaufsfläche zur Verfügung. Pro Tag flossen zwei Millionen DDR-Mark aus den Geldbörsen von durchschnittlich 50.000 Kunden in die Kassen des berühmten Kaufhauses. Das seinerzeitige Warenangebot galt als überdurchschnittlich gut.
Zum Service für die Kundschaft gehörten Kinderbetreuung, Zelt- und Fernsehverleih, hauseigene Ärzte und Dolmetscherleistungen für Ausländer. Sogar der weltberühmte Thomaner-Chor sang vor den 1.400 Mitarbeitern. Die Sängerknaben erhielten im Gegenzug als Dank einheitlich schwarze Schuhe. Eine besonders soziale Ader zeigte die Geschäftsleitung, indem sie vor den offiziellen Öffnungszeiten um 9 Uhr ganze Kinderheim-Besatzungen und kinderreiche Familien zum Einkaufen einlud. Diese hatten damit einen Platzvorteil, da manch schöne Stücke im Verkaufssortiment als Mangelware sonst kaum zu bekommen waren. 2010 wurde die historische Bausubstanz abgerissen und die bekannte Aluminium-Fassade denkmalgerecht rekonstruiert. Heute ist der Neubau Teil des Shopping-Centers „Höfe am Brühl“.
Die wechselvolle Geschichte des traditionsreichen Hauses war begleitet von zahlreichen, oft geheimnisumwitterten und politisch eingefärbten Eigentümerveränderungen und -verhältnissen. Auch die Konsumgenossenschaft Leipzig, die zu Zeiten des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschlands noch Eigentümerin der imposanten Handelsimmobilie gewesen ist, war in diese verschlungenen Wege involviert. ++ (kg/mgn/22.08.18 – 165)
www.genonachrichten.de, e-mail: mg@genonachrichten.de, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), tel. 0176 / 26 00 60 27