Genossenschaftliche Molkereien (1) : Zwischen demokratischem Anspruch und marktwirtschaftlicher Realität

Die geplante Fusion der Molkereigenossenschaften Arla Foods und DMK Group bringt einen neuen Genossenschafts-Giganten hervor. Aus diesem Grund vertiefen die GenoNachrichten das Thema in 3 Beiträgen. Es geht auch darum die Grenzen der Rechtsform Genossenschaft aufzuzeigen. 
In Deutschland verarbeiten genossenschaftliche Molkereien rund 70 % der gesamten Milchmenge. Doch obwohl diese Rechtsform historisch als Instrument bäuerlicher Selbsthilfe galt, stehen viele Genossenschaften heute zunehmend in der Kritik: Ihre Marktmacht wächst – doch die Mitbestimmung der Mitglieder nimmt ab. Ein Positionspapier des European Milk Board (EMB) analysiert die Ursachen dieser Entwicklung und macht konkrete Reformvorschläge.

Die Rolle der Genossenschaften im Milchsektor

In vielen europäischen Ländern – insbesondere in Deutschland, Dänemark, Frankreich und den Niederlanden – sind Genossenschaften die dominierende Marktform im Milchsektor. Nach Angaben des EMB verarbeiten allein in Deutschland genossenschaftlich organisierte Molkereien rund 70 % der Milchmenge, wobei Großunternehmen wie DMK Deutsches Milchkontor oder Hochwald beispielhaft genannt werden können.¹

Historisch verstanden sich diese Zusammenschlüsse als demokratisch kontrollierte Selbsthilfeeinrichtungen der Bauern. Doch laut EMB habe sich diese Funktion in der Praxis oft ins Gegenteil verkehrt: Genossenschaften agieren zunehmend wie privatwirtschaftliche Konzerne.²

Demokratische Defizite in der Struktur

Obwohl formal jedes Mitglied eine Stimme hat, ist die tatsächliche Einflussnahme häufig begrenzt. Die Entscheidungsstrukturen seien intransparent, Kritik unerwünscht, und Abstimmungsverhältnisse würden häufig durch Abhängigkeiten über Milchlieferverträge und Geschäftsbeziehungen entwertet.³

Ein zentrales Problem sei die sogenannte „Lieferbindung“: Viele Genossenschaftsverträge verpflichten Milcherzeuger zur exklusiven Lieferung ihrer Milch an die Genossenschaft – ohne echte Einflussmöglichkeit auf die Preisgestaltung.⁴ Dies schwächt nicht nur die Verhandlungsposition der Bauern, sondern verhindert auch einen funktionierenden Wettbewerb zwischen Molkereien.

Preisgestaltung unter den Produktionskosten

Nach Erkenntnissen des EMB und Studien des Bundeskartellamts erhalten Milcherzeuger in Deutschland oft keine kostendeckenden Erzeugerpreise.⁵ Genossenschaften rechtfertigen dies häufig mit internen Kostenstrukturen oder Verweis auf Weltmarktpreise. Die Realität sei jedoch: Viele Bauern wirtschaften am Limit oder unterhalb der Gewinnschwelle.⁶

EMB-Forderungen: Mehr Transparenz und eine europäische Marktbeobachtung

Um die Marktmacht großer Molkereigenossenschaften besser zu regulieren, schlägt das EMB die Schaffung einer unabhängigen europäischen Marktbeobachtungsstelle vor.⁷ Diese Institution soll Angebot und Nachfrage ausbalancieren und bei Marktungleichgewichten Maßnahmen wie freiwillige Mengenreduzierung anregen – ein Konzept, das sich bereits 2016 im Rahmen der EU-Krisenregelungen bewährt habe.⁸

Schlussfolgerung für Deutschland

Die Lage in Deutschland zeigt exemplarisch die strukturellen Probleme genossenschaftlicher Großunternehmen: Demokratische Beteiligung der Mitglieder, Transparenz und wirtschaftliche Fairness – alles zentrale Grundwerte der Genossenschaftsidee – drohen zur reinen Fassade zu verkommen.

Für eine zukunftsfähige Genossenschaft im Milchsektor braucht es daher nicht nur kosmetische Änderungen, sondern eine echte Rückbesinnung auf genossenschaftliche Prinzipien – kombiniert mit regulatorischen Eingriffen zur Sicherung fairer Marktbedingungen.

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