Berlin. Am 18. Dezember 2024 verlor die Wohnungsbaugenossenschaft Zentrum e.G. (WBG) zwei gerichtliche Verfahren vor dem Amtsgericht Berlin Mitte. Die Genossenschaft verklagte zwei Mitglieder und hat verloren. Beide Urteile betrafen die Zustimmung von Genossenschaftsmitgliedern zur Erhöhung ihrer Nutzungsentgelte. Die Entscheidungen offenbaren erhebliche Versäumnisse der klägerischen Seite – sowohl inhaltlich als auch in der Prozessführung. Beide Verfahren wurden von der Berliner Mitgliederinitiative „Genossenschaft von unten„ solidarisch unterstützt und verdeutlichen wie wichtig es ist, dass die Genossen ihre Rechte kennen und diese auch wahrnehmen. „Genossenschaft von unten“ kritisiert die zunehmende Verfremdung der genossenschaftlichen Grundsätze zu der auch die Mustersatzungen der GdW Prüfungsverbände beitragen.
1.Die Urteile im Überblick
In der Sache WBG Zentrum e.G. ./. Bernd L. (Az. 123 C 202/24) wies das Gericht die Klage ab, da die geforderte Entgelterhöhung nicht den formalen und materiellen Anforderungen der Satzung der Genossenschaft entsprach. Es fehlte sowohl an einem wirksamen Beschluss der Vertreterversammlung als auch an einer ausreichenden Kalkulationsgrundlage, um die Erhöhung zu rechtfertigen. Die Satzung verlangt, dass solche Erhöhungen von der Vertreterversammlung genehmigt werden, um den genossenschaftlichen Zweck der sozialen Wohnraumversorgung zu wahren.
Ähnlich scheiterte die Klage im Verfahren WBG Zentrum e.G. ./. Manfred R (Az. 17 C 143/24). Auch hier hatte die Genossenschaft versucht, die Zustimmung des Beklagten zu einer Mieterhöhung einzuklagen. Das Gericht hielt an einem bereits zuvor ergangenen klageabweisenden Versäumnisurteil fest. Die Begründung: Die Erhöhung hätte nicht ohne vorherige Zustimmung der Vertreterversammlung beschlossen werden dürfen, da sie einen grundlegenden Eingriff in die Nutzungsbedingungen von über 77 % der Mitglieder darstellte.
2.Kritik an der Prozessführung
Ein zentrales Problem beider Verfahren war neben der mangelhaften Beachtung des Genossenschaftsrechts auch die mangelnde Prozessstrategie der Klägerin und ihrer rechtlichen Vertretung. Anstatt die Ansprüche gegen die beiden Beklagten in einem Verfahren als Streitgenossen zusammenzufassen, wurden separate Klagen eingereicht. Dies führte zu unnötigen Kosten und einem erhöhten Prozessrisiko.
Nach der Zivilprozessordnung (§ 60 ZPO) hätten die Verfahren gemeinsam geführt werden können, da die Klagen auf denselben rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen basierten. Eine Streitgenossenschaft hätte zudem ermöglicht, die Argumentation kohärenter und umfassender vorzutragen und einheitlich zu beurteilen. Diese Möglichkeit wurde jedoch nicht genutzt.
3.Fazit
Die beiden Urteile verdeutlichen nicht nur die rechtlichen Grenzen bei Entgelterhöhungen innerhalb von Wohnungsbaugenossenschaften, sondern auch die Bedeutung einer durchdachten Prozessstrategie. Der klägerische Anwalt hätte die Verfahren in Streitgenossenschaft bündeln sollen, um die Erfolgsaussichten zu erhöhen und Ressourcen zu schonen. Die Niederlagen könnten die Genossenschaft nun teuer zu stehen kommen – sowohl finanziell als auch in Bezug auf das Vertrauen ihrer Mitglieder.
4.Hinweis
Die Initiative Genossenschaft von unten führt am 15.Februar 2025 den
Alternativen Genossenschaftstag in Hamburg durch. Die Teilnahme ist kostenlos die Anmeldung kann hier erfolgen.
Unser Autor Dr. Martin Weigele ist ehrenamtlich als Justiziar von igenos Deutschland e.V. tätig und Verbandsratmitglied des CoopGo Genossenschaftsverband Saarbrücken.