Platform Coops: Infrastruktur für digitale Souveränität?

Würzburg, den 11.10.2024. Wie souverän ist Deutschland im Bereich der IT-Infrastrukturen und Softwarelösungen? Sind wir zu abhängig von großen Tech-Konzernen? Was bedeutet das für unsere Zukunft – und was ist zu tun? Ein neuer Präsidiumsarbeitskreis innerhalb der GI (Gesellschaft für Informatik e.V.) widmet sich den zahlreichen Fragen, die wir uns zur Digitalisierung stellen müssen. Harald Wehnes hat die Gründung angestoßen und macht in seinem Meinungsbeitrag deutlich: Es ist Zeit zu handeln. Die Rechtsform der Genossenschaft steht für Transparenz und ist vergleichsweise übernahmeresistent.

Expert*innen aus Wissenschaft und Wirtschaft warnen bereits seit Längerem davor, dass wir uns auf dem Weg in eine digitale Kolonie befinden. So betonte etwa der Wirtschaftsverband BITMi (Bundesverband IT-Mittelstand) die wachsenden digitalen Abhängigkeiten, die ein „besorgniserregendes Ausmaß“ erreicht haben, und weist auf „konkrete Gefahren für unsere politische Selbstbestimmung“ hin. Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst wird ebenfalls deutlich: „Wir dürfen keine digitale Kolonie werden“, sagt der Chef des Digitalverbands zur Präsentation einer Studie, die genau das befürchten lässt. Diese Zukunftssorgen nehmen immer realistischere Formen an.

Sind wir auf dem Weg in die digitale Kolonie?

Der Begriff der digitalen Kolonie taucht immer wieder auf, wenn es um kritische digitale Abhängigkeit geht. Er soll deutlich machen, dass es sich hier nicht nur um ein rein wirtschaftliches Problem dreht. Die möglichen Auswirkungen auf die Existenz von Unternehmen, Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, auf Steuereinnahmen, Sozialsysteme, Bildung und Forschung gehen weit darüber hinaus. „Auf dem Spiel steht nichts weniger als die deutsche und europäische Identität“, sagt Prof. Manfred Broy von der TU München. „Wenn wir unsere digitale Souveränität verlieren, verlieren wir einen wesentlichen Teil unserer kulturellen Werte und unserer Freiheit“

Die Verlockungen sind groß: Global agierende Cloud-Anbieter versprechen Flexibilität, Risikominimierung und Kostenersparnis – und das alles unter Einhaltung bestehender Gesetze. Doch welche Folgen hat es, wenn Unternehmen und Organisationen ihre Daten und Prozesse in die Rechenzentren dieser Dienstleister verlagern, die nicht europäischem Recht unterliegen? Den vermeintlichen kurzfristigen Vorteilen stehen bei näherer Betrachtung große Risiken gegenüber. Diese reichen von wirtschaftlicher Erpressbarkeit bis hin zur Existenzgefährdung. Nicht nur die Preise, sondern auch die Geschäftsbedingungen können einseitig geändert werden. Zudem erlaubt es die Finanzmacht großer Tech-Konzerne, viel Geld für Lobbyarbeit auszugeben, um die Gesetzgebung zu beeinflussen. Mehr als 113 Millionen Euro jährlich gibt die Digitalindustrie allein für Lobbyarbeit in Brüssel aus.

Darüber hinaus dehnen die Tech-Konzerne ihre Marktmacht rasant auf weitere Wirtschaftssektoren wie Medien, Banken, Bezahldienste, Logistik, Gesundheitswesen oder Bildung aus und werden auch hier immer dominanter. Fest steht: Wir müssen sicherstellen, dass wir durch digitale Abhängigkeit nicht unsere Wettbewerbsfähigkeit, unseren Wohlstand und in der Folge unseren diplomatischen Einfluss verlieren. Ohne digitale Souveränität hat unsere Gesellschaft keine Zukunft. Über den Autor

Prof. Dr. Harald Wehnes verfügt über 30-jährige IT- Praxiserfahrung in Wirtschaft, öffentlicher Verwaltung und Großforschung. Er lehrt am Institut für Informatik der Universität Würzburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind modernes Projektmanagement, digitale Unternehmensgründungen und digitale Nachhaltigkeit. Er ist Mitglied des GI-Präsidiums und Sprecher des neuen Präsidiumsarbeitskreises „Digitale Souveränität“. Vereinte Kräfte

Der neue Arbeitskreis, der sich aus dem GI-Präsidium heraus gegründet hat, baut auf die in den vergangenen Jahren entwickelten wertvollen Arbeiten, Konzepte und Analysen zu digitaler Abhängigkeit und digitaler Souveränität auf. Vorrangig sollen konkrete Maßnahmen entstehen, die eine weitere Verstärkung der digitalen Abhängigkeit verhindern und eine Wende herbeiführen. Eine Herkules-Aufgabe, die nur mit vereinten Kräften gemeistert werden kann.

Ergänzung: Genossenschaftliches Hosting als Alternative zu Hyperscalern – Wer macht mit?
Ein zentrales Ziel des Arbeitskreises ist die Entwicklung und Umsetzung eines von Bevölkerung und Wirtschaft getragenen Aktionsplans „Digitale Souveränität – MACHEN!“ sowie die Bildung einer „Allianz für Digitale Souveränität“. Alle, die dazu beitragen wollen, sind herzlich eingeladen, sich mit ihren Ideen, ihrem Engagement und ihrer Expertise einzubringen.

Eine mögliche und zukunftsweisende Alternative zu den marktbeherrschenden Hyperscalern wie Amazon, Google oder Microsoft liegt im genossenschaftlichen Hosting, organisiert in einer Dachgenossenschaft. Gerade in der aktuellen Debatte um digitale Souveränität bietet dieses Modell eine handfeste Option, um der Abhängigkeit von globalen Tech-Giganten zu entkommen und eine unabhängige IT-Infrastruktur zu schaffen, die den Bedürfnissen der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft entspricht.

Durch genossenschaftliches Hosting können Unternehmen, öffentliche Einrichtungen, NGOs und sogar Einzelpersonen ihre digitalen Ressourcen gemeinsam betreiben und verwalten. Die Mitglieder einer solchen Genossenschaft behalten dabei die volle Kontrolle über ihre Daten und digitalen Prozesse – ohne den Einfluss außereuropäischer Gesetze oder wirtschaftlicher Interessen großer Konzerne fürchten zu müssen. Ein solcher gemeinschaftlicher Ansatz ermöglicht es, Infrastrukturen zu schaffen, die auf Transparenz, demokratischer Mitbestimmung und langfristiger Nachhaltigkeit beruhen.

Besonders in der aktuellen Diskussion um die Risiken der Hyperscaler, die durch ihre schiere Größe und Macht nicht nur Märkte, sondern auch gesetzliche Rahmenbedingungen beeinflussen, stellt dieses kooperative Modell eine konkrete Alternative dar. Der Fokus liegt hier auf der Schaffung von Infrastruktur, die sich an den Bedürfnissen der Nutzer orientiert und nicht an den Gewinninteressen einzelner großer Anbieter. Dies trägt nicht nur zur Sicherstellung von fairen und stabilen Bedingungen bei, sondern bietet auch einen Schutz vor Preiserhöhungen und unvorhergesehenen Änderungen der Geschäftsbedingungen.

Doch wer macht mit? Gerade mittelständische Unternehmen, kommunale IT-Dienstleister, wissenschaftliche Institutionen und andere öffentliche Einrichtungen könnten von einem solchen genossenschaftlichen Ansatz profitieren. Der Zusammenschluss in einer Dachgenossenschaft ermöglicht es, durch gemeinsame Investitionen und geteilte Ressourcen die Kosten für IT-Infrastruktur deutlich zu senken, während gleichzeitig die eigene Unabhängigkeit gestärkt wird. Auch staatliche Förderungen und politische Unterstützung könnten dazu beitragen, dass genossenschaftliche IT-Lösungen eine echte Alternative zu den dominierenden Hyperscalern darstellen.

Die Frage ist also nicht, ob wir uns genossenschaftlichen Hosting-Modellen als Alternative zuwenden sollten, sondern vielmehr, wer sich aktiv an der Gestaltung und Umsetzung dieser zukunftsfähigen Lösung beteiligt. Der Weg hin zu digitaler Souveränität ist komplex, doch das genossenschaftliche Hosting bietet eine konkrete, umsetzbare Maßnahme, um Abhängigkeiten zu reduzieren und Europas digitale Zukunft sicherzustellen. Alle, die diese Idee unterstützen und die Vorteile einer gemeinschaftlich betriebenen IT-Infrastruktur nutzen wollen, sind eingeladen, sich dieser Bewegung anzuschließen und den digitalen Wandel aktiv mitzugestalten.


Wer bei der Gründung einer IT Infrastruktur-Dachgenossenschaft mitmachen möchte bitte mailen ansouvereign@gefotec.de Dr. Martin Weigele, c/o Gefotec GmbH, Bonn

Dachgenossenschaft bedeutet, dass bestehende Aktivitäten unter einem Dach für noch mehr Menschen / Unternehmen zugänglich gemacht werden sollen. Die Ideen dafür müssen dann gemeinsam konkretisiert werden.

digitale Kolonie, Hyperscaler, Platform Coop
Jetzt Spenden! Das Spendenformular wird von betterplace.org bereit gestellt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte gib eine gültige E-Mail-Adresse ein.
Sie müssen den Bedingungen zustimmen, um fortzufahren.