Justiz gewinnt gewisse Einsichten in das Genossenschaftsrecht

Berlin, 9. Oktober 2024 (geno). Am Horizont des Genossenschaftsrechts beginnen Leuchtfeuer in der deutschen Justiz zu flackern, sogar zu brennen, die bisher nicht oder kaum wahrnehmbar zu erkennen waren. Dafür sorgte am Mittwoch ein Richter am Berliner Amtsgericht Mitte in einem Zivilrechtsverfahren, in dem sich die Leitung einer Wohnungsgenossenschaft und ein Genossenschaftsmitglied gegenüber stehen. Bislang von Vorstand, Aufsichtsrat und Vertreterversammlung der Genossenschaft Zentrum eG beabsichtigten und ohne kritische Nachfragen durchgewunkenen Erhöhungen der Mieten – besser Nutzungsgelte – erwies sich bei näherer Betrachtung als Sammelsurium von Intransparenz, Willkür und Inkompetenz. Diese gravierenden Mängel enttarnte der Beklagte Bernd Landgraf, der selbst Genossenschaftsmitglied ist und gegen die satzungswidrigen Praktiken als Betroffener vorgeht. Der aktuelle Gerichtstermin – zunächst als Güteverhandlung angesetzt, jedoch rasch in einer Hauptverhandlung weitergeführtes Prozedere deklariert – ergab, dass nach dem eventuellen Austausch von Schriftsätzen in Kürze der Termin zur Verkündigung eines Urteils bekannt gegeben wird.

Die Formulierungen des Gerichts lassen vermuten, dass die Argumente des Beklagten erhebliches Gewicht haben. Ein Schwerpunkt war die Auseinandersetzung darüber, ob Mietrecht samt Mietspiegel oder Genossenschaftsrecht anzuwenden ist. Dazu teilt Landgraf in einem Schriftsatz mit: „Der Mietspiegel ist keine Handlungsgrundlage für eine Wohnungsbaugenossenschaft. Handlungsgrundlage für eine Wohnungsgenossenschaft ist die Satzung und die dort gesetzten Vorgaben.“ Der Mietspiegel bilde für eine Genossenschaft bestenfalls die gesetzliche Grundlage für obere Grenzen in Nutzungsverträgen.

Zentraler Zankapfel des Verfahrens ist der Begriff „Mieterhöhungs-Zustimmungsverlangen“. Er führt schon in seiner juristischen Semantik nicht nur in die Irre, sondern in eine Sackgasse. Das Anliegen der klagenden Genossenschaft erschöpft sich in sich selbst. Mietverträge sind nämlich keine Nutzungsverträge und umgekehrt. Die im traditionsreichen Berliner Quartier Prenzlauer Berg ansässige Wohnungsgenossenschaft hat rund 6.000 Mitglieder und verfügt über schätzungsweise 4.700 Wohnungen. ++ (gr/mgn/12.10.24 – 121)

www.genonachrichten.de, e-mai: mg@genonachrichten.de, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), tel. 0176 / 26 00 60 27

Mietspiegel
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