Schmalkalden/Berlin, 23. September 2024. Am 5. September 2024 berichteten die GenoNachrichten über die Vorwürfe gegen den Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), er habe grob gegen die Präambel der eignen Satzung verstoßen, seine Macht missbraucht und kleine Genossenschaften systematisch unterdrückt. Insbesondere hat der BVR durch die Satzungsänderungen seine Monopolstellung ausgenutzt, um Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Mitgliedern erheblich zu erweitern und gleichzeitig deren Rechtsschutz einzuschränken. Weiter wurde eine Verschwiegenheitspflicht eingeführt, die es seinen Mitgliedern verbietet, öffentlich über Maßnahmen des BVR zu sprechen. Damit können die Organe dieser Mitgliedsbanken ihre gesetzlichen Transparenzpflichten gegenüber ihren Genossenschaftsmitgliedern nicht einhalten. Kritische Meinungsäußerungen sollen so rechtswidrig unterdrückt werden. Dies widerspricht sowohl den Rechenschafts- und Transparenzpflichten der Genossenschaftsorgane gegenüber ihren Mitgliedern, also auch den Grundprinzipien der International Cooperative Alliance (ICA), die auf ethischen und demokratischen Werten basieren.Die Prinzipien der ICA, die seit ihrer Gründung im Jahr 1895 gelten, bilden die Grundlage für das genossenschaftliche Handeln weltweit. Sie sind nicht nur eine Blaupause für die Struktur von Genossenschaften, sondern auch ein ethischer Kompass. Im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen den BVR sind besonders folgende ICA-Prinzipien von Bedeutung:
1. Demokratische Kontrolle durch die Mitglieder
Dieses Prinzip fordert, dass Genossenschaften von ihren Mitgliedern demokratisch kontrolliert werden. Jedes Mitglied hat eine Stimme, unabhängig von der Größe oder finanziellen Beteiligung. In der BVR-Klage wird der Verband jedoch beschuldigt, kleinere Genossenschaften unterdrückt und ihnen ihre demokratischen Rechte vorenthalten zu haben. Solche Praktiken widersprechen der Idee einer gleichberechtigten Beteiligung aller Mitglieder und stellen einen klaren Bruch dieses Prinzips dar.
2. Mitgliederökonomische Beteiligung
Ein weiteres zentrales Prinzip ist die ökonomische Beteiligung der Mitglieder, die besagt, dass Mitglieder ihre Genossenschaften gleichberechtigt finanzieren und die erwirtschafteten Überschüsse in einem demokratischen Prozess verteilen. Der Vorwurf des Machtmissbrauchs deutet darauf hin, dass wirtschaftliche Vorteile ungleich verteilt wurden und kleinere Genossenschaften benachteiligt wurden. Dies widerspricht dem genossenschaftlichen Grundsatz, dass alle Mitglieder fair an den Vorteilen beteiligt sein sollten.
3. Autonomie und Unabhängigkeit
Genossenschaften sollen sich unabhängig von externen Machtstrukturen organisieren. Der BVR, als Dachorganisation der deutschen Genossenschaften, hat jedoch durch den angeblichen Machtmissbrauch die Autonomie kleinerer Genossenschaften untergraben. Wenn eine große Organisation die unabhängigen Entscheidungen ihrer Mitglieder beeinflusst, wird dieses fundamentale Prinzip verletzt.
4. Bildung, Weiterbildung und Information
Dieses Prinzip betont die Notwendigkeit, dass Genossenschaften ihre Mitglieder und die Öffentlichkeit über die Vorteile des Genossenschaftsmodells informieren und bilden. Sollten die Vorwürfe zutreffen, dass kleinere Genossenschaften durch den BVR in ihren Möglichkeiten beschränkt wurden, könnte dies auch die Bildung und Weiterentwicklung dieser Genossenschaften negativ beeinflusst haben. Ohne gleiche Zugangsmöglichkeiten zu Informationen und Bildung können diese Genossenschaften nicht wachsen oder ihre Mitglieder effektiv unterstützen.
5. Kooperation zwischen Genossenschaften
Genossenschaften sollen zusammenarbeiten, um die Bewegung zu stärken und ihrer Gemeinschaft besser zu dienen. Der Vorwurf des Machtmissbrauchs deutet jedoch darauf hin, dass der BVR nicht kooperativ gehandelt hat, sondern im Gegenteil die Interessen kleinerer Genossenschaften unterdrückt hat. Solche Praktiken schaden dem Gesamtnetzwerk und destabilisieren das Vertrauen innerhalb der Genossenschaftsbewegung.
6. Engagement für die Gemeinschaft
Ein weiteres wichtiges Prinzip ist das Engagement für die Gemeinschaft. Genossenschaften sollen ihre lokalen Gemeinschaften stärken und nachhaltigen Nutzen bringen. Machtmissbrauch und Unterdrückung von kleineren Genossenschaften stehen in direktem Gegensatz zu diesem Prinzip, da sie den Gemeinschaften schaden, die diese Genossenschaften vertreten und unterstützen sollten.
Schlussfolgerung
Die in der Klage geäußerten Vorwürfe gegen den BVR stehen im klaren Widerspruch zu den Prinzipien der ICA, die auf Demokratie, Gleichheit und Zusammenarbeit beruhen. Sollte sich der Vorwurf des Machtmissbrauchs bestätigen, könnte dies das Vertrauen in das Genossenschaftsmodell in Deutschland erheblich schädigen. Es ist daher entscheidend, dass der Fall transparent untersucht wird und der BVR seine Verantwortung gegenüber den Prinzipien der ICA wahrnimmt, um die Integrität des Genossenschaftssystems zu wahren.
Quelle: Genossenschaftliche Prinzipien der ICA
<https://ica.coop/en/cooperatives/cooperative-identity>