Stuttgart, 14. März 2019 (geno). Schneeballsysteme gehören zu den Extrema wirtschaftlichen und finanziellen Ausblutens und Ausbeutens von Menschen. Dass sie sich dennoch unter der Tarnkappe einer solidarischen und selbstverwalteten Genossenschaft etablieren und wuchern können, ist kaum zu glauben.
In Baden-Württemberg ist es mit der Eventus eG dennoch fatale Realtät geworden. Bis in viele Einzelheiten wurde jetzt der durch Marco T. gegenüber Gutgläubigen ins Werk gesetzte Abzock-Mechanismus vom Landgericht Stuttgart entzaubert und offengelegt.
Mit dem diese Woche verkündeten Urteil wurden entlarvende Einblicke in das trübe Netzwerk der Genossenschafts-Betrüger selbst und den um sie herum angesiedelten Institutionen und Prüfungsgremien gegeben, die die Scharlatanerie durch Untätigkeit, Ignoranz und Verschweigen über Jahre hinweg geduldet und verschleiert haben.
Maßgeblich verwickelt sind der Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen (VBW) sowie das ihm gegenüber Aufsicht führende Landeswirtschaftsministerium. Diese mit involvierte Behörde, die das aufsichtsrechtliche Verfahren zur Prüfungstätigkeit des VBW bei der Eventus eG zu verantworten hat, gibt nunmehr eilfertiges Bemühen um Aufklärung vor.
Eine Ministeriumssprecherin teilte mit, dass die diesbezüglichen Recherchen hohe Priorität haben und noch im April zum Abschluss gebracht werden sollen. Eine gutachterliche Stellungnahme sei bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Bansbach in Auftrag gegeben worden.
„Die Gutachter kommen zu dem Ergebnis, dass der VBW im Falle Eventus eG seinen ihm obliegenden Pflichten nicht in vollem Umfang nachgekommen sei“,
heißt es in der Pressemitteilung des Ministeriums vom Mittwoch. Dass diese Wortwahl aufs Verharmlosen der skandalösen Vorgänge hinausläuft, lassen die Formulierungen des vorsitzende Richters erkennen: „Die Eventus hätte niemals an den Start gehen dürfen“. Das zweifelhafte Geschäftsmodell und die nicht vorhandene interne Kontrolle hätten die Prüfer erkennen müssen – spätestens im Laufe der Zeit, eigentlich aber schon ganz zu Beginn. Auf diese Weise saß neben dem Hauptangeklagten der VBW mit auf der Anklagebank. Er war als Pflichtprüfungsverband zuständig zu überwachen, dass die Genossenschaft und deren Geschäftsmodell dem Genossenschaftsrecht genügt. Doch das war nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft nie der Fall. In deren Plädoyer wurde der Schluss gezogen: „Eine Begründung, wie die Eventus die Gründungsprüfung des VBW überstehen konnte, gibt es auch nach der Beweisaufnahme nicht.“ Das Urteil der Bansbach-Prüfer über das Verhalten des VBW fällt vernichtend aus, lassen Staatsanwaltschaft und Verteidiger verlauten.
Presseberichten zufolge hätte der VBW die Gründung der Wohnungsbaugenossenschaft Eventus niemals zulassen dürfen, weil das Geschäftsmodell weder dem Genossenschaftsprinzip noch der eigenen Satzung entsprochen hat. Für die Gutachter sei auch offensichtlich gewesen, dass das Modell mit den versprochenen Zinsen wirtschaftlich nicht tragfähig war, weil Renditen von bis zu acht Prozent auf dem Immobilienmarkt nicht zu erzielen sind.
Der ehemalige Anlageberater T. habe die Genossenschaft 2012 als eine Art Investmentgesellschaft gegründet. Anders als andere Wohnungsgenossenschaften wollte das Unternehmen jedoch nie für die eigenen Mitglieder Wohnungen bauen und verwalten, sondern instrumentalisierte sie zur Geldanlage. Bis zur Insolvenz Mitte 2017 sammelte T. von mehr als 400 Anlegern fast zehn Millionen Euro ein. Das Geld benutzte er für seinen aufwendigen Lebensstil und unangemessene Unternehmenskosten. Der Firmensitz an noblem Standort kostete 10.000 Euro Monatsmiete. Allein für die Büroausstattung – nach Meinung des Insolvenzverwalters ein „Traum in Weiß“ – wurden 200.000 Euro ausgegeben.
Für zwei Eigentumswohnungen hat der Angeklagte zwei Millionen Euro ausgegeben und eine Küche für 90.000 Euro bestellt. ++ (fi/mgn/14.03.19 – 051)