Im Kampf gegen die Gewerkschaft der Lokführer (GdL) will die Bahn offenbar alle
Register ziehen und ihr gerichtlich die Tariffähigkeit absprechen lassen [1].
Dann könnte die GdL keine legalen Streiks zum Abschluss eines Tarifvertrags
für ihre Mitglieder mehr durchführen, wie sie für den Januar 2024 mehrtägig
angekündigt sind. Hintergrund ist, dass die GdL die Gründung der Fairtrain eG
[2], einer eigenen Genossenschaft ausschließlich für GdL-Mitglieder initiiert
hat und somit angeblich als Arbeitgeber auftreten soll. Die Argumentation
scheint entlang der Linien zu verlaufen, wie sie vor einiger Zeit in einem
Fachartikel vertreten wurde [3].
Damit eine Gewerkschaft im Sinne von Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz Koalitions- und
damit tariffähig ist, müssen eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein. Es
muss sich um eine auf Dauer angelegte freiwillige Vereinigung von
Arbeitnehmern mit dem Ziel der Wahrung und Förderung der Arbeits- und
Wirtschaftsbedingungen handeln, die überbetrieblich organisiert, demokratisch
und mit einem Bekenntnis zur freiheitlichen Ordnung verfasst ist. Durch die
Klage der Deutschen Bahn wird das weitere Kriterium, die Unabhängigkeit von
Staat und Dritten, insbesondere die Gegnerfreiheit in Frage gestellt.
Gegnerfrei ist eine Organisation dann, wenn keine finanzielle oder personelle
Abhängigkeit von sozialen Gegenspielern wie Unternehmen und Arbeitgebern
besteht. Tarifwilligkeit, soziale Mächtigkeit, also die tatsächliche Fähigkeit
zu Arbeitskämpfen und Anerkennung des geltenden Tarifrechts kommen hinzu. Die
soziale Mächtigkeit ist das wichtigste Kriterium, an der viele missbräuchlich
von Arbeitgeberseite gegründete Pseudo-Gewerkschaften vor Gericht gescheitert
sind, natürlich waren sie auch nicht gegnerfrei.
Fraglich ist nun, ob die Gründung der Fairtrain eG eine solche Abhängigkeit
von Arbeitgeberinteressen für die GdL darstellen könnte. Jedoch verfolgt zum
einen die Genossenschaft Fairtrain eG ja schon satzungsgemäß ebenfalls das der
Gewerkschaft gleichgerichtete Ziel der Förderung der Arbeits- und
Wirtschaftsinteresse ihrer Mitglieder, wie es § 1 Abs. 1
Genossenschaftsgesetz, dem Förderzweck, entspricht. Mitglied können nur
Gewerkschaftsmitglieder werden. Sie kann daher wegen gleichgerichteter
Satzungszwecke schon gar nicht im Lager der Gegner der GdL verortet werden.
Zum anderen geht es hier ja um die GdL selbst. Die Genossenschaft ist keine
Tochtergesellschaft der GdL oder ähnliches. Sie ist vielmehr eine von der GdL
völlig unabhängige Genossenschaft, über deren Geschäftspolitik die Mehrheit
der Mitglieder in der Generalversammlung entscheiden kann. Dass sie nur
Mitglieder der GdL aufnimmt, ist dafür vollkommen unerheblich. Die
Willensbildung der GdL selbst wird daher durch eine weitere unabhängige
Organisation gar nicht beeinträchtigt. Daraus daher nun zu konstruieren, dass
die GdL durch die Initiative zur Gründung von Fairtrain eG nicht mehr Gegner-
frei sei, also nicht mehr tarif- und legal streikfähig sein soll, erscheint an
den Haaren herbeigezogen und nicht vertretbar. Wie so oft im Arbeitsrecht soll
mit der Klage der Bahn wohl ein rein interessengeleiteter künstlich
konstruierter Ansatz zum Angriff auf den Gegner GdL Verwendung finden.
[2] https://www.fair-train.de
[3] https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/gdl-gewerkschaft-bahn-lokfuehrer-weselsky-gruendet-eigene-genossenschaft-fair-trans-leiharbeit/
Unser Autor Dr. Martin Weigele leitet bei igenos Deutschland e.V. den Fachbereich Cooperative Governance & Law