Bullay, den 19.Dezember 2023. Genossenschaften haben in gutes Image! Genossenschaften sind unverwechselbar, da sie einen Wert verkörpern, über den gewinnorientierte Unternehmen nicht verfügen. Da es der Aktiengesellschaft, GmbH oder KG nicht gelingt, die genossenschaftliche Mitgliedschaft zu imitieren, ist sie das wohl markanteste Identifikationsmerkmal und eine wertvolle ’strategische Ressource‘. Doch wie geht die Praxis damit um? Doch wie steht es im internationalen Vergleich wirklich um die Rechtsform Genossenschaft? In Prospektmaterial, das auf die Gewinnung neuer Mitglieder abzielt, wird oft damit geworben, dass die Mitgliedschaft einfach zu erwerben ist. Es genügt, dass die am Beitritt zur Genossenschaft Interessierten das Formular unterschreiben. Über die durch Gesetz und Satzung bestimmten Mitgliedschaftsrechte wie Teilnahme an Mitgliederversammlungen, Stimmrecht, das aktive und passive Wahlrecht sowie das Recht auf Auskunft und die Organschafts- und vermögensrechtlichen Pflichten eines Mitglieds wird man kaum aufgeklärt. Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage lässt sich überprüfen, indem man sich in der Geschäftsstelle einer Genossenschaftsbank nach Details der Mitgliedschaft erkundigt.
Die Mitgliedschaft wird in der BVR (Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken eV) als Alleinstellungsmerkmal betont, aber außerhalb von Werbekampagnen nur zurückhaltend kommuniziert und Mitgliedschaftsanwärtern angeboten. Dadurch kann der ideelle Kern einer Genossenschaft verwässert werden und zur bloßen Formalität werden. Wenn während der Mitgliedschaft die subjektiven Fördererwartungen ausbleiben, die für den Beitritt entscheidend waren, wird der Mitgliedschaft keine wirkliche Bedeutung zugeschrieben. Unter solchen Umständen sind die Chancen für eine individuelle Bindung an die Genossenschaft gering. Das Mitglied wird wahrscheinlich seine Leistungsbeziehungen auf vorteilhafte Umsatzakte beschränken, ohne jedoch an der Selbstverwaltungsebene aktiv zu werden. Worüber sich nun auch wirklich niemand beklagt.
Es fällt schwer, der Mitgliedschaft einen besonderen Wert beizumessen, wenn in der bankgenossenschaftlichen Sparte der Eindruck entsteht, dass diese organisatorische Zugehörigkeit gegen Übernahme von Geschäftsanteilen mit dem Versprechen einer Kapitaldividende ‚verkauft‘ wird. Durch das Verblassen des personalistischen Elements kann es passieren, dass für einen Teil der Trägerschaft die Institution der „Mitgliedschaft“, die eigentlich ein einzigartiges Profilierungsinstrument sein sollte, als Gelegenheit zur rentablen Kapitalanlage betrachtet wird. Oftmals führt eine Vernachlässigung des konstitutiven Elements „Mitgliedschaft“ zu einem umfassenderen Konturverlust. Für ein positives Selbstverständnis wäre eine Aufwertung der Mitgliedschaft und die identitätssichernde Wirkung weiterer Differenzierungspotenziale notwendig. Gemeint sind damit z.B. unterschiedliche AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen) und unterschiedliche Konditionen für Genossenschaftsmitglieder und Nichtmitglieder.