Eigentlich ist ja Digitalisierung, die so etwas ermöglicht, eine feine Sache. Es kann sehr effizient gearbeitet werden, und viele Menschen können teilnehmen, ohne dass gereist werden muss. Vernetzung von Genossenschaften untereinander bleibt dabei allerdings meist auf der Strecke, ein wichtiges Anliegen der allgemein anerkannten internationalen Genossenschaftsprinzipien. Eine Vernetzung im virtuellen Raum ist schwierig.
Aber auch ein weiteres wichtiges Prinzip des internationalen Genossenschaftswesens blieb heute auf der Strecke, das Demokratieprinzip. Ein weiteres Problem entsteht nämlich dann, wenn vermeintliche Effizienz so sehr vor praktisch gelebter Demokratie kommt, dass von letzterer quasi nichts mehr übrig bleibt. So heute geschehen beim besagten Genossenschaftsverband am Tatort Internet.
Während der Verbandstag von den Offiziellen wie eine Fernsehschau als völlig einseitig gerichtete Kommunikation gestaltet wurde, blieben die demokratischen Mitgliedsrechte mangels Transparenz und echter Wortmeldungsmöglichkeit auf der Strecke. Zwar konnten per Chat oder Telefon an eine vom Verband eingesetzte, namentlich nicht bekannte anonyme Moderation Fragen eingereicht werden. Diese Moderation entschied dann aber anscheinend nach eigenem Gutdünken, Fragen zuzulassen – oder eben auch nicht, falls zu unangenehm. Auch im chat gestellte Fragen wurden teilweise wegmoderiert und waren für die anderen teilnehmenden Mitglieder offenbar gar nicht sichtbar. Unser Autor Martin Sirius ist CoopGo Fachbeirat für Digitalisierung
Nach Meinung des Autors erfüllt eine solcherart gestaltete virtuelle Mitgliederversammlung nicht die gesetzlichen Mindestanforderungen, die im Hinblick auf demokratische Teilhabe an die Durchführung von Mitgliederversammlungen von eingetragenen Vereinen zu stellen sind. Ja, auch der Genossenschaftsverband ist ein solcher. Die Mitgliederversammlung soll es ja gerade den Mitgliedern ermöglichen, auf Augenhöhe sowohl untereinander in der Versammlung als auch mit dem Vorstand zu kommunizieren. Nur so kann ein vollwertiger demokratischer Diskurs entstehen. Moderne Open Source Tools wie BigBlueButton oder jitsi unterstützen selbstverständlich solche Möglichkeiten der Kommunikation auf Augenhöhe und werden von mindestens einem Mitglied des Genossenschaftsverbandes auch angeboten.
Auf Fragen, warum der Genossenschaftsverband nicht solche Open Source Werkzeuge generell einsetzt, sondern künftig das nach Meinung der Konferenz der behördlichen Datenschutzbeauftragten nicht datenschutzkonforme Microsoft 365 ausrollen will, zu diesem massiven Complianceproblem gab es dann auch keine Antwort von einem Verband, der selbst Hüter der Compliance des Genossenschaftswesen sein soll.