Sind die Mitglieder von Genossenschaften Menschen zweiter Klasse?

Bullay den 1.Juni 2023/igenos-sued. Unser Geld bleibt im Dorf? Wer unseren Beitrag in den GenoNachrichten vom 31.05.2023 gelesen hat, dem ist sicher aufgefallen, was bei der Fusion der Raiffeisenbank Moselkrampen eG und der Raiffeisenbank Zeller-Land eG auf die Raiffeisenbank Eifeltor eG mit den Umtausch der Geschäftsguthaben beider Institute geschehen ist. Ein Geschäftsguthaben von 100,00 € eines Mitglieds aus Moselkrampen oder Zeller Land wurde umgetauscht in ein Geschäftsguthaben von 100,00 € der Raiffeisenbank Eifeltor eG. Doch wert waren diese Geschäftsguthaben erheblich mehr. Bei der Raiffeisenbank Moselkrampen hatte es einen Wert des ca. 45-fachen , bei der Raiffeisenbank Zeller-Land einen Wert des 22-fachen. Teilt man (Stand 31.12.2021) die Summe der Geschäftsguthaben durch die Anzahl der Mitglieder dann besaß bei der RB Moselkrampen jedes Mitglied ein durchschnittliches Geschäftsguthaben in Höhe von 313,39 € was einem wirklichen Anteilswert des 45-fachen, also 14.102,55 € entspricht. Bei der Raiffeisenbank Zeller Land betrug das durchschnittliche Geschäftsguthaben eines Mitglieds 285,77 € und hatte einen Anteilswert des 22-fachen, somit 6.286,94 €. Mit Eintragung der Fusion im Genossenschaftsregister des Amtsgerichts Koblenz und Löschung der beiden Genossenschaften RB Moselkrampen und RB Zeller Land geht jeglicher Besitz und Vermögen der beiden Banken in den Besitz der Raiffeisenbank Eifeltor eG über. Vom Vermögen ihrer eigenen Genossenschaft erhalten die Mitglieder nach dem Willen ihrer Vorstände nichts. 

Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel der im Jahr 2015 erfolgten Fusion der Heinsberger Volksbank AG auf die Raiffeisenbank Heinsberg eG. Dort hielten ca. 548 Aktionäre 24.000 Aktien. Jede einzelne Aktie lautete auf einen Nominalwert von 55,00 €.  Legt man die Argumente von DGRV und den kreditgenossenschaftlichen Verbänden zu einer Fusion im Genossenschaftsbereich zugrunde, dann hätte eigentlich jede einzelne Aktie von 55,00 € lediglich umgetauscht werden können in ein Geschäftsguthaben von 55,00 € der Raiffeisenbank Heinsberg eG. Doch das war nicht der Fall. Pro einzelne Aktie im Nennwert von 55,00 € erhielten die Anteilseigner der Heinsberger Volksbank einen Betrag von 902,44 € ausbezahlt. Im Durchschnitt erhielt damit jeder Aktionär einen Betrag von ca. 39.500,00 € ausbezahlt. Da dazu die angesammelten Rücklagen der Heinsberger Volksbank nicht ausreichten, musste die Raiffeisenbank Heinsberg eG noch zusätzlich 1,4 Millionen aus ihrem, den Mitgliedern gehörenden, Vermögen drauflegen, um die Aktionäre der Heinsberger Volksbank abzufinden.  Hier ausführlich zum Nachlesen

Im Umwandlungsgesetz sind die Vorschriften zur Verschmelzung geregelt. Und dieses Gesetz soll für alle darin genannten Rechtsformen gleichermaßen gelten. Allerdings könnte bei Betrachtung der im Genossenschaftswesen durchgeführten Verschmelzungen durchaus der Verdacht aufkommen, dass der Gesetzgeber die Anteilseigner in ein unterschiedliches Kastensystem aufteilte und damit eine Zweiklassengesellschaft bei Verschmelzungen schuf. In Anteilseigner die würdig sind, bei Verschmelzungen den ihnen zustehenden Anteil am Unternehmenswert ihres übertragenden Unternehmens zu erhalten und in Anteilseigner die dessen unwürdig sind.

Auch die Politik ist deshalb aufgefordert, darüber nachzudenken, ob im Genossenschaftswesen etwas falsch läuft. Denn immerhin sind davon 17.949.757 Millionen Mitglieder von Genossenschaftsbanken betroffen.(Stand 31.12.2022 / Quelle BVR)

Den Vorständen der Genossenschaftsbanken ist zu empfehlen, nicht strikt den Vorgaben ihres genossenschaftlichen Prüfungsverbandes nebst DGRV zu folgen, sondern etwas mehr Zivilcourage zu zeigen und selbst darüber nachzudenken, was für die Mitglieder ihrer Volks- oder Raiffeisenbank das Beste ist. Denn letztendlich sind sie es, die für die Verschmelzung die uneingeschränkte Verantwortung tragen.

Was sagte Schulze Delitzsch, der Erfinder der Genossenschaftsbanken und Initiator des Genossenschaftsgesetz zum Thema Großgenossenschaften und Rechtsformwechsel?

…… wird fortgesetzt

DGRV, Fusion der Heinsberger Volksbank AG, Fusion Raiffeisenbank Moselkrampen, Raiffeisenbank Eifeltor eG, Raiffeisenbank Zeller-Land eG
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2 Kommentare.

  • Georg Scheumann Vorstand igenos e.V. antwortet Andreas M.
    10. Juni 2023 18:14

    Die Entscheidung über die Verwendung eines Jahresfehlbetrages trifft die Generalversammlung der Genossenschaft bei Feststellung des Jahresabschlusses. So wie die Generalversammlung bestimmen kann, dass der ganze Gewinn – (auch) entgegen dem Vorschlag des Vorstands – auf die Mitglieder verteilt wird, genauso kann sie auch beschließen, dass der im Jahr erwirtschaftete Verlust durch Abschreibung auf die Geschäftsguthaben der Mitglieder, im Verhältnis der Geschäftsguthaben untereinander, verteilt wird.
    Davon sind dann auch Mitglieder betroffen, die ihre Mitgliedschaft gekündigt haben und ausscheiden. Es besteht dabei kein Anspruch des Mitglieds auf vorrangige Auflösung der Rücklagen und Schonung der Geschäftsguthaben.

    Ihre zweite Frage zeigt eine weitere Ungerechtigkeit im Genossenschaftswesen auf. Ja, es ist richtig, wenn sie aus der Genossenschaft ausscheiden und es liegt ein Verlust vor, kann es sein, dass Sie, wenn die Generalversammlung dies beschließt, den Verlust anteilig mittragen müssen, obwohl Vermögen vorhanden ist.

  • Andreas M.
    8. Juni 2023 14:11

    Ich bin Mitglied einer Genossenschaft. Diese weist einen Jahresfehlbetrag aus und will diesen auf uns Mitglieder verteilen. Darf das sein, obwohl Vermögen vorhanden ist? Und stimmt es dabei wirklich, dass ich als Mitglied trotzdem nichts vom Vermögen erhalte wenn ich deswegen kündige?

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