Deformationserscheinungen des Genossenschaftsmodells

Berlin/Bullay 23.01.23. Dieser Beitrag geht auf Schwachpunkte in der Führung des „gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs“ ein, denn abweichend von der in Festtagsreden vielbeschworenen Unternehmensphilosophie, die genos­senschaftliche Grundwerte betont, mangelt es in der täglichen Praxis häufig an erlebbarer Um­setzung. Zu wenig kommt zur Geltung, was hinsichtlich Zusammensetzung und Handeln des Managements zu bedenken wäre. Es fehlt an sichtbarer „Genossenschaftlichkeit“.

Zum Teil geht dieser Mangel darauf zurück, dass in die Führungsebene größerer Genossenschaf­ten zu einem erheblichen Teil außerhalb der Genossenschaftsorganisation rekrutierte Füh­rungskräfte berufen werden. Und weil sie als Vorstände gemäß § 9 Abs. 2 GenG (Prinzip der Selbstorganschaft) Mitglied der betreffenden Genossenschaft sein müssen, werden diese Perso­nen als (die Genossenschaft) „fördernde Mitglieder“ aufgenommen. Diese Konstruktion stellt für sich eine weitere Verfremdung dar, weil diese Personen vielfach mit der Genossenschaft, in der sie beschäftigt sind, nicht in einen Fördergeschäftsverkehr eintreten können, was in der Regel auf landwirt­schaftliche und gewerbliche Genossenschaften zutrifft, deren Mitglieder vom Unternehmensgegenstand der Ge­nossenschaft her Bauern, Handwerker oder Händler sindMitunter bringen sie ein unklares Vorstellungsbild von einer Genossenschaft mit. Im Extremfall sehen sie im Gemein­schaftsunternehmen der Mitglieder, für dessen Entwicklung und Erfolg sie Verantwortung tragen, ein Unternehmen wie jedes andere. Als Vorstand etwa einer Genossenschaftsbank ist ihnen dann der Teilaspekt „Bank“ deutlich näher als das Strukturelement „Genossenschaft“.  Eine Plattform hierfür liefern die in § 27 Abs. 1 GenG festgeschriebene Eigenverantwortlichkeit und unaufhaltsam betriebene Verselbständigung des Vorstandes von den Mitgliedern als den Gründern und Eigentümern der Ge­nossenschaft. Als Indiz dafür mag gelten, dass Führungskräfte bedenkenfrei von „ihrer“ Genossenschaft sprechen und das genossenschaftliche Führerprinzip ausleben. Wenn dadurch in den Köpfen der Belegschaft einer größeren Volksbank oder Raiffeisenbank auch noch nicht der Weg von der Genossenschaftsbank zur Bank vorgezeichnet ist (1), so kommt es doch „zu einer gewissen Abkoppelung der Bank- und Vorstandsinteressen von denen der Mitglieder (…).“(2)

Für eine Verankerung im genossenschaftlichen Bewusstsein wäre es notwendig, dass sich neue Führungskräfte mit der Genossenschaftsidee, den Besonderheiten einer Genossenschaft und den Werten einer Genossenschaft vertraut machen, was sich gleichermaßen neue Mitarbeiter anzu­eignen hätten. „Eigens genossenschaftliche Schulung der Vorstandsmitglieder und Beschäftig­ten“ (3) ] ist gefragt, um ihnen das, was eine Genossenschaft ausmacht, zu vermitteln. Schließlich obliegt es beiden Gruppen, nach außen zu tragen, wofür die Genossenschaft steht, was ihr Auftrag ist und was sie von anderen Organisationen unterscheidet.
Diese Konstruktion stellt für sich eine Verfremdung dar, weil diese Personen vielfach mit der Genossenschaft, in der sie beschäftigt sind, nicht in einen Fördergeschäftsverkehr eintreten können, was in der Regel auf landwirt­schaftliche und gewerbliche Genossenschaften zutrifft, deren Mitglieder vom Unternehmensgegenstand der Ge­nossenschaft her Bauern, Handwerker oder Händler sind.
Literatur:
(1) Vgl. Hans H. Münkner: Mitgliedschaft als Alleinstellungsmerkmal von Genossenschaften

(2) Vgl. Jost W. Kramer: Fortschrittsfähigkeit gefragt: Haben die Kreditgenossenschaften als Genossenschaften eine Zukunft? Wismarer Diskussionspapiere Heft 01/2003, S. 22.

(3)Vgl. Volker Beuthien: Die eingetragene Genossenschaft. Idee und Wirklichkeit, Baden-Baden 2013, S. 247

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