Hamburg/Bullay, 25. Oktober 2022 (geno). Konflikte innerhalb von Genossenschaften nehmen zu. Es fehlt an demokratischer Beteiligung und an Transparenz. Längst ist das keinem Beteiligten – weder Genossenschaftsmitgliedern noch Vorständen, Aufsichtsräten und Verbänden – verborgen geblieben.
Dass es in der Basis gärt, weil „unsichtbare Obrigkeiten“ nach Gutdünken – fast willkürlich – seit Jahrzehnten innerhalb von Genossenschaften schalten und walten, ist Folge höchst widersprüchlicher Entwicklungen in der deutschen Genossenschaftbewegung.
Das bedauerliche, aber unübersehbare Phänomen wurzelt in einer juristischen Substanz, die aus der nationalsozialischen Zeit stammt. Dieser rechtlich von den Nazis seit dem Jahr 1934 verbreitete Humus wurde nach dem Jahr 1945 – trotz und entgegen der eindeutigen Auflagen durch die Allierten – in der Bundesrepublik Deutschland zu keinem Zeitpunkt weder offiziell beseitigt noch stillschweigend getilgt. Die alten, auf Gleichschaltung ausgerichteten übergenossenschaftlichen Machtstrukturen sind geblieben und feiern fröhliche Urständ. Ihre Repräsentanten in Genossenschaftsverbänden machen sogar mobil und biedern sich den politischen Amtsträgern an. Diese wiederum wollen neue bzw. alte Problemzonen umschiffen und suchen nach – letztlich brüchigen – Kompromiss-Lösungen. Da sich auf diese Weise eine selbstverwaltete und demokratisch organisierte Genossenschaft nicht ins Abseits katapultieren lassen kann, sind wirksame Gegenmittel erforderlich.
Ein realistischer und machbarer Vorschlag ist die Installation von „Ombudsleuten für das Genossenschaftswesen“. Es darf nicht nur einer sein, sondern es müssen viele sein. So meint die in Rheinland-Pfalz ansässige Interessenvertretung der Genossenschaftsmitglieder (igenos). Ihr zur Seite springen zahlreiche Experten, darunter der Hamburger Soziologe Frank-Michael Giebel.
Die Auseinandersetzungen dürften sich verschärfen. Genossenschaften können zur Zerreiss-Probe für Demokratie im engeren und im weiteren Sinne werden – jedoch in konstruktiver und zukunftsträchtiger Weise. Die vom ehemaligen Verhandlungsführer der „Deutschen Einheit“ und Ex-Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble angesichts der gegenwärtigen parlamentarischen Misere plötzlich auf die Bühne gerufenen „Bürgerräte“ werden wohl neidisch sein. Gewiss haben sie inzwischen kapiert, dass sie von der Obrigkeit instrumentalisiert worden sind. Man hört ihre Musikinstrumente auch seit Monaten nicht mehr. Sie haben die als Eintagsfliegen verabreichten Schlaftabletten geschluckt und mucken nicht mehr auf. ++ (kl(mgn/25.10.22 191)
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