Wer irrtümlich angenommen hat, die Fusionswelle unter den Volks- und Raiffeisenbanken habe mit 850 Geno Banken ihr Ende erreicht wurde getäuscht. Anfang der 90er Jahre verfolgte der BVR in einem Strategiepapier das Ziel, die seiner Zeit noch bestehenden 3.000 Volks- und Raiffeisenbanken auf 850 bis 1.000 „abzuschmelzen“. 2022 sind noch 814 selbstständige Bankgenossen übrig geblieben. Tendenz stark abnehmend.
Nachdem der Scheitelpunkt der Fusionswelle Ende 90er Anfang der 2000er Jahre erreicht schien, konnte man annehmen, dass „Druckfusionen durch Wertberichtigungen“ weitestgehend der Vergangenheit angehören würden. Selten waren Verschmelzungen betriebswirtschaftlich geboten, rechtlich gesehen waren sie aus Sicht von igenos e.V. überwiegend gesetzwidrig, denn sie missachteten auch den genossenschaftlichen Förderauftrag.
Die verbandspolitisch motivierte Bestrebung größere Einheiten zu schaffen, was nie wirklich schlüssig begründet werden konnte, ging fast immer zu Lasten der Mitglieder. Das ist bei den derzeit weiteren Fusionen – ca. 50 jährlich – nach wie vor der Fall, denn die Auflösung einer Genossenschaft mit Vermögensübertragung auf die aufnehmende Genossenschaft ist dann ein Verstoß gegen § 1 GenG, wenn die übertragende Genossenschaft nicht tatsächlich notleidend ist. Dann findet durch den Untergang ihrer Vereinigung die Entrechtung der Anteilseigner statt.
Bereits die Basis auf der eine Fusion durchgeführt werden soll, ist ausgesprochen zweifelhaft: nämlich die Bewertung von Kreditrisiken, die sich zu einem Unternehmensrisiko verdichten, die dann in die Einstufung „fusionsreife Sanierungsbank“ führt. Die Rechtswidrigkeit vollzieht sich in einzelnen Schritten:
- Pflichtwidrige Prüfung durch Falschbewertung von Kreditrisiken – fehlerhaftes Ausüben prüferischen Ermessens (s. § 62 GenG / § 323 HGB); damit Erfüllung des Tatbestandes nach § 150 Abs. 1 GenG, evtl. auch Abs. 2 / s. auch § 332 HGB, § 266 StGB „Untreue“
- Die Falschbewertung führt zur fehlerhaften Berichterstattung im Prüfungsverfahren § 57 Abs. 4 GenG, zum falschen Prüfungsbericht gem. § 58 GenG.
- Den Organen der Bank werden dadurch falsche Informationen für ihre Mitwirkung im Prüfungsverfahren und eine unzutreffende Grundlage für die Beratung über das voraussichtliche Prüfungsergebnis gem. § 57 Abs. 4 GenG und den Prüfungsbericht § 58 Abs. 3, 4 GenG gegeben.
- Durch diese Beeinflussung werden Vorstand und Aufsichtsrat dazu verleitet, einen falschen Jahresabschluss zu unterzeichnen und in der Generalversammlung einen falschen Lagebericht abzugeben; die Organe werden dadurch letztlich auch zu einer Straftat gem. § 147 GenG verleitet.
Das „Durchlaufen“ dieser Kette kann dann letztlich den Anteilseignern den Eindruck vermitteln, ihre Genossenschaft könne – aus zwingenden Gründen – die Selbstständigkeit nicht aufrechterhalten und müsse wegen der Unabwendbarkeit drohender Gefahren fusionieren. Dabei darf nicht übersehen werden, dass sowohl Vorstände wie Aufsichtsräte die Pflicht haben, beim Prüfungsverfahren auch durch kritisches Hinterfragen der Bewertung einzelner Kreditengagements und während der gesamten Prüfung sorgfältig mitzuwirken. Dass ihnen das möglich sein müsste, ergibt sich bereits aus den fachlichen Anforderungen des § 25 d S. 1 KWG.
Die so betrachtete Verletzung der Sorgfaltspflichten führt zur Haftung der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat. Dabei ist es h.M., dass sich ein einzelnes Organmitglied seiner ggf. auch strafrechtlichen Verantwortung gem. § 147 GenG, nicht mit Hinweis auf „Nichtzuständigkeit“ entziehen kann.
Schlussendlich liegt es nicht fern festzustellen, dass fehlerhafte, leichtfertige Prüfung und Sorgfaltspflichtverletzung von Vorstand und Aufsichtsrat nicht dazu geeignet sind, den Erwerb oder die Wirtschaft der Mitglieder ihrer Genossenschaftsbank gem. § 1 GenG zu fördern.
Die Organe der von der Fusion betroffenen, jetzt aufgelösten Genossenschaftsbanken befinden sich in der Haftungsfalle, wenn diese ihre Mitglieder nicht vollumfänglich über die Alternativen zu einer Fusion aufgeklärt haben.
Vorstand und Aufsichtsrat sollten sich nach Auffassung von igenos unbedingt auch mit der Spaltung wie in § 123 UmwG befassen. Interessant dabei sind die in den Absätzen 2 und drei aufgeführten Möglichkeiten der Abspaltung bzw. Ausgliederung. Der Vorteil bei diesen beiden Möglichkeiten liegt darin, dass die Existenz der übertragenden Genossenschaft erhalten bleibt, ebenso bleiben die Mitglieder weiterhin Mitglieder der übertragenden Genossenschaft. Bei der Abspaltung erhalten die Mitglieder für das übertragene Vermögen Anteile an der aufnehmenden Genossenschaft, während bei der Ausgliederung diese die übertragende Genossenschaft selbst erhält.
Rechtlich gesehen liegt die alleinige Verantwortung bei den Genossenschaftsorganen. Die Verbände haben nur eine beratende Funktion.