Die Genossenschaftsverbände haben Tradition. Sie wurden 1889 erstmals gesetzlich eingeführt. Aufgabe der Verbände war der Schutz der Mitglieder und Gläubiger vor Fehlentscheidungen der Genossenschaftsorgane.
Heute hat sich das Betätigungsfeld der genossenschaftlichen Verbände gewendet. Es handelt sich also nicht mehr um den ursprünglich vom Gesetzgeber gewollten Schutz der Mitglieder vor ihren Verbandsorganen. Vielmehr vertreten die Verbände zunächst ihre eigenen Interessen. Heute beschützen die Genossenschaftsverbände „ihre Genossenschaften“ vor den Mitgliedern.
Die Politik schaut dabei zu und verstärkt in diversen Bundestagsdrucksachen die Marke Genossenschaft in dieser Ausprägung. Diese Selbstermächtigung der genossenschaftlichen Organisation spiegelt sich in einer durch eine erfolgreiche Lobbyarbeit geförderten schleichenden Erosion der genossenschaftlichen Idee wider. Zielsetzung dieser Lobbytätigkeit ist es, die bestehende genossenschaftliche Verbandsstruktur zu stabilisieren und so die einzige Einnahmequelle der genossenschaftlichen Verbände langfristig wirtschaftlich abzusichern. Dabei werden die genossenschaftlichen Grundwerte systematisch missachtet, indem zunehmend versucht wird, die Mitgliederinteressen fremd zu bestimmen.Das zeigt sich unter anderem bei den Mustersatzungen, die für verbindlich erklärt werden und die Entfaltung der Genossenschaftsidee stark einschränken sowie bei der Fusionspolitik der Genossenschaftsverbände, die vor allem den ländlichen Raum betrifft.
Die Unternehmenssteuerung und Fremdbestimmung(*) durch die genossenschaftlichen Prüfungsverbände erklärt auch, warum die Rechtsform Genossenschaft in Deutschland zunehmend an Bedeutung und Glaubwürdigkeit verliert.
Die Genossenschaftsverbände müssen sich von den Genossenschaftsmitgliedern vorwerfen lassen, vorrangig ihre eigene, übergeordnete Verbandsstrategien durchsetzen zu wollen. Die Verbände schrecken auch nicht davor zurück, Vorstand und Aufsichtsrat massiv unter Druck unter setzen. Vor dem Landgericht Nürnberg laufen derzeit zwei unterschiedliche Spruchverfahren, die sich u.a. mit den Beratungsleistungen des Genossenschaftsverbands Bayern befassen.
igenos Arbeitsgruppe: Fünf Jahre Genossenschaftsidee als immaterielles Weltkulturerbe. ( Auszug) Bullay 2022
(*)Betrifft einen Großteil der Volks-und Raiffeisenbanken sowie der großen GdW Wohnungsgenossenschaften
1 Kommentar.
[…] Damals wurde vom Dachverband der Volks- und Raiffeisenbanken BVR der Rückzug aus der Fläche beschlossen, was mit anderen Worten eine Strukturbereinigung im genossenschaftlichen Bankensektor bedeutet. Stark betroffen waren vor allem die ländlichen Regionen. Die Umsetzung wurde an die genossenschaftlichen Prüfungsverbände delegiert, die im streng hierarchisch gegliederten genossenschaftlichen Verbandswesen auch die direkte Steuerungs- und Kontrollfunktion der Genossenschaftsbanken übernahmen. […]