Der nachstehende Gastbeitrag von Dr.jur. Ludolf von Usslar, DBA geht auf einen aktuell beim LG Wiesbaden Az: 3 0 2021/20 anhängigen Fall ein. Die GenoNachrichten teilen die Überlegungen des Autors, die hier in in ungekürzter Form widergegeben werden.
I. Die Rüsselsheimer Volksbank bzw. deren Vorstand und Aufsichtsrat verletzen seit Jahren die sich aus der in § 8 Satzung zu ihrer Hinterbliebenen-Unterstützungskasse ergebende Verpflichtung, über die Leistungen der Hinterbliebenen-Unterstützungskasse zu berichten.
Weiter sind in § 4 vorgenannter Satzung Zuweisungen aus den Bilanzgewinnen der Genossenschaft in die Rückstellungen der Kasse vorgesehen. Solche Zuweisungen finden sich nicht in den Bilanzen der Rüsselsheimer Volksbank, sondern nur „Zuweisungen an einen Hinterbliebenen-Unterstützungsfonds“, die zumindest über Jahre auch viel niedriger waren, als die lt. Satzung der Hinterbliebenen-Unterstützungskasse im gleichen Zeitraum vorgesehenen Leistungen an Hinterbliebene von verstorbenen Genossen.
Die jeweiligen Prüfberichte des zuständigen Verbands der Regionen e.V., Neu-Isenburg, enthielten dazu keine Anmerkungen oder gar Mängelfeststellungen, demzufolge sich der Vorstand auch trotz entsprechender Beschwerden einzelner Mitglieder nicht verpflichtet sah oder sieht, gem. § 16 (2) f der Genossenschaftssatzung diesen Mangel zu beheben und der Vertreterversammlung im Rahmen des Beschlussvorlage zur Gewinnverwendung Zuweisungen zur Hinterbliebenen-Unterstützungskasse vorzuschlagen.
Die von der Rüsselsheimer Volksbank vorgenommenen Zuweisungen an einen wie auch immer gearteten Hinterbliebenen-Unterstützungsfonds können nicht die satzungsmäßige Pflicht zu Zuweisungen an die Hinterbliebenen-Unterstützungskasse ersetzen, und zwar nicht nur, weil sie betragsmäßig zu niedrig sind, sondern vor allem auch deshalb nicht, weil Fonds zweckgebundene Sondervermögen sind und damit anders als die Hinterbliebenen-Unterstützungskasse mit eigener Satzung und dazugehörigen Mitgliedern (§ 1) keine Vereine oder Personengesellschaften sind.
Der Vorstand der Rüsselsheimer Volksbank vereitelte zumindest dieses Jahr, dass kritische Genossen so frühzeitig vor der für die Genehmigung und Beschlussvorlage zuständigen Vertreterversammlung eine Abschrift des Jahresabschlusses 2020 und Einsicht in den Prüfbericht für 2020 erhielten und noch rechtzeitig gem. § 28 (4) der Hauptsatzung verlangen konnten, dass die Vertreterversammlung über Zuweisungen an die Hinterbliebenen-Unterstützungskasse aus dem Bilanzgewinn beschließt.
Einen solchen Antrag konnten die kritischen Genossen aber nicht stellen, weil ihnen erst 5 Tage vor der Vertreterversammlung die Möglichkeit zum Einblick in den Prüfbericht gewährt wurde, aber für die Beschlussfassung über einen Antrag/ Gegenstand gem. § 28 (5) der Hauptsatzung eine Frist von mindestens einer Woche erforderlich ist. Damit wurden zum einen die Mitgliedsrechte der kritischen Genossen aus § 11 c), g), h) der Hauptsatzung verletzt und zum anderen sichergestellt, dass der Verstoß gegen die Satzung zur Hinterbliebenen-Unterstützungskasse im eigentlich dafür zuständigen Gremium, der Vertreterversammlung zur Sprache kommt und keine Korrektur der satzungswidrig vorgeschlagenen Gewinnverwendung erfolgt.
Die Weigerung der Rüsselsheimer Volksbank, einem opponierenden Genossen eine aktualisierte Vertreterliste zu überlassen, damit dieser zumindest seinen Standpunkt zur satzungswidrigen Gewinnverwendung den Vertretern im Vorfeld der Vertreterversammlung darlegen könne und so möglicherweise mittelbar eine satzungsgemäße Gewinnverwendung bewirkt hätte, vervollständigt den Eindruck, dass Vorstand und Aufsichtsrat unter Billigung oder gar Mitwirkung des Prüfverbands ihr satzungswidriges Tun ungestört fortsetzen wollen.
Angemerkt sei hierzu allerdings, dass die Bank ihre Weigerung mit datenschutzrechtlichen Erwägungen begründet hat, obwohl jedes Mitglied gem. § 11 j) der Hauptsatzung das uneingeschränkte Recht hat, eine Abschrift einer Liste mit Namen und Adresse der Vertreter zu erhalten. Sie hat das opponierende Mitglied schon letztes Jahr unter Ansetzung horrender Streitwerte mit einer Klage überzogen und ihm sowie in Sippenhaft allen nahestehenden Mitgliedern bestehende Girokonten ohne ersichtlichen Grund gekündigt und damit den Betroffenen ihre Rechte gem. § 11 der Hauptsatzung auf Teilhabe an genossenschaftlichen Leistungen vorenthalten.
II. Würdigt man des Verhaltens von Vorstand, Aufsichtsrat und Prüfverband in rechtlicher Hinsicht, stehen folgende Pflichtverletzungen und Haftungsansprüche im Raum:
Der Vorstand hat seine Vermögensbetreuungspflicht dadurch verletzt, dass er eine satzungswidrige Beschlussvorlage zur Verwendung des Bilanzgewinns erstellt hat und darüber hinaus vereitelt hat, dass der Vertreterversammlung als beschließendem Gremium diese Umstände bekannt wurden. Selbst wenn die im vorliegenden Fall von der Volksbank geltend gemachten Bedenken gegen die Herausgabe einer Abschrift der Vertreterliste stichhaltig wären, hätte es dem Vorstand spätestens nach Kenntnis des Vorwurfs einer satzungswidrigen Gewinnverwendung oblegen, das entweder selbst zu korrigieren oder wenigstens hilfsweise die Vertreterversammlung über die Einwände gegen die vom Vorstand vorgeschlagenen Gewinnverwendung zu informieren.
Angesichts der Tatsache, dass dem Vorstand bereits vor der Vertreterversammlung die begründeten Einwendungen bekannt waren und er darüber hinaus vereitelt hat, dass sich die Vertreter-versammlung damit befasst, entweder auf rechtzeitigen Antrag der kritischen Genossenschaften oder Information der Vertreter durch den opponierenden Genossen oder den Vorstand selbst, muss unterstellt werden, dass der Vorstand nicht nur fahrlässig handelte, sondern vorsätzlich eine satzungswidrige Gewinnverwendung herbeiführte.
Dieser über Jahre andauernde Verstoß gegen die Satzungen der Genossenschaftsbank, also die Verfügung über Teile des Bilanzgewinns außerhalb des Satzungszwecks -Zuweisung an die Hinterbliebenen-Unterstützungskasse-, dürfte zweifelsfrei den Tatbestand der Untreue (§ 266 StGB) verwirklichen (vgl. Ek/Kock: Haftungsrisiken für Vorstand und Aufsichtsrat, 3.A. (2019) S.140, Rnr.516 m.w.N.), der für die Bejahung des Tatbestands der Untreue notwendige Vermögensnachteil besteht darin, dass nicht sichergestellt ist, dass die finanziellen Mittel für die Unterstützung von Hinterbliebenen der Mitglieder gem. der dafür vorgesehenen Satzung zur Hinterbliebenen-Unterstützungskasse nicht sichergestellt sind. Der Vorstand hat sich also strafbar gemacht, aber bei solch relativ unbedeutenden Verstößen mit geringer Schadensumme ist wohl eher nicht mit einer Verurteilung sondern einer Einstellung des Verfahrens zu rechnen.
Allerdings ist der Vorstand gem. § 823 (2) BGB nicht nur gegenüber der Genossenschaft selbst, sondern auch gegenüber weiteren, in den Schutzbereich einbezogenen geschädigten Erben und Genossen zum Schadenersatz verpflichtet.
Der Aufsichtsrat überwacht die Geschäftsführung und hat insbesondere gem. § 38 (1), Satz 5 GenG den Vorschlag für die Verwendung des Jahresüberschusses zu prüfen und über das Ergebnis seiner Prüfung die Vertreterversammlung zu berichten. Diese Pflicht hat der Aufsichtsrat ausweislich der Protokolle zur Vertreterversammlung über Jahre erkennbar nicht ordnungsgemäß erfüllt, sondern keine Einwände gegen die vorgeschlagene Gewinnverwendung geltend gemacht oder wenigstens darauf hingewiesen, dass satzungswidrig keine Zuweisungen an die Hinterbliebenen-Unterstützungskasse vorgesehen sind.
Zu seiner Entlastung kann der Aufsichtsrat als „Laien“-Gremium möglicherweise erfolgreich darauf verweisen, dass in den jeweiligen Prüfberichten keine diesbezüglichen Mängelfeststellungen enthalten sind.
Der Prüfverband hat gem. § 53 (1) GenG die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung zu prüfen; das umfasst gem. § 58 (1), Satz 3 GenG auch, ob und auf welche Weise die Genossenschaft einen zulässigen Förderzweck verfolgt hat. Ganz sicher ist eine satzungswidrige Gewinnverwendung keine ordnungsmäßige Geschäftsführung und da die Zuwendungen aus der Hinterbliebenen-Unterstütz-ungskasse gerade der Unterstützung der Mitglieder bzw. deren Erben als Rechtsnachfolger (§ 7, Satz 1 der Hauptsatzung) dient, ist dies auch einen Verstoß gegen den Förderzweck.
Damit haftet der Prüfverband für einen etwaigen Schaden aus seiner Prüfpflichtverletzung zweifelsfrei gem. § 62 (1) Satz 3 GenG gegenüber der Genossenschaft, allerdings nicht unmittelbar gegenüber dem einzelnen Genossen oder seinen Erben. Ob er sich auch der Beihilfe zur Veruntreuung schuldig gemacht hat und deshalb gem. § 823 (2) BGB auch gegenüber dem einzelnen Genossen haftet, ist vorliegend reine Spekulation, weil keine konkreten Erkenntnisse darüber bestehen, ob der Prüfverband nur fahrlässig handelte oder wissentlich die satzungswidrige Gewinnverwendung deckt.
Ein Beitrag von Dr.jur. Ludolf von Usslar, DBA
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außerdem befasst sich Ludolf von Usslar intensiv mit der Corona Soforthilfe.
2 Kommentare.
Was ist denn aus der viel gepriesenen Qualitätskontrolle geworden.
Die Verbände leben davon die Genossenschaften „zu prüfen“, gleichzeitig werden die Verbände geprüft ob sie „richtig prüfen“ …
Es stellt sich beim Lesen des Beitrags die Frage, ob ein Bankvorstand wegen Nichtbeachtung von Satzungsvorschriften und Verweigerung der Berichtspflicht überhaupt die strengen Auslesekriterien der BAFIN und des KWG’s hinsichtlich der persönlichen Zuverlässigkeit zur Leitung eines Kreditinstitutes erfüllt. Denn Schlampigkeit auf der einen Seite kann auch zu Schlampigkeit auf der anderen Seite führen.