Fundamentalkritik an Österreichs Raiffeisen-System

Wien/Linz, 8. April 2021 (geno). „Wenn Friedrich Raiffeisen wüsste, was aus seiner Idee geworden ist, würde er sich im Grab umdrehen.“ Das erklärt der Sprecher der österreichischen Interessengemeinschaft (IG) Milch, Ewald Grünzweil, am Dienstag im Nachrichtenportal kontrast.at und übt scharfe Kritik an den kooperativen Grundstrukturen seines Landes. Das genossenschaftliche Prinzip habe sich gegen die Bauern gewendet. Anstelle wie früher füreinander einzustehen, werde man heute von der Raiffeisen-Genossenschaft bestraft. „Wenn man nur an einem einzigen Tag im Monat weniger als 50 Prozent der ausgemachten Menge liefert, muss man gleich extrem hohe Strafen an die Molkereien zahlen.“ Besondere Härten müssen rebellische Bauern ertragen: „Wenn du die Goschen aufmachst, wirst ruiniert“, so der Sprecher der IG, die als bäuerliche Plattform diese Zustände nicht mehr hinnehmen und das derzeitige System Raiffeisen letztlich abschaffen will.

Insgesamt verarbeiten Raiffeisen-Unternehmen im Milchsektor rund 90 Prozent der gesamten Frischmilch in Österreich. „Die Unternehmen haben eine Monopolstellung in der Milchwirtschaft. Wenn wir über niedrige Milchpreise reden, reden wir immer nur vom Handel, doch die großen Molkereien tragen auch Verantwortung“, so Grünzweil.

Kontrast.at beschreibt, wie aus einer kleinen Bauerngenossenschaft ein internationaler Konzern geworden ist. „Die Wurzeln des Raiffeisenverbandes reichen bis ins Jahr 1848. Es war eine noble Idee, die der deutsche Sozialreformer Friedrich Wilhelm Raiffeisen kontinuierlich vorantrieb: Genossenschaften sollten gebildet werden, um das Leid der Bauern zu lindern. Denn die waren oft schwer verschuldet. Sie mussten sich Geld von Wucherern borgen, die bis zu 20 Prozent Zinsen verlangten, um Saatgut und Dünger zu kaufen. Fiel eine Ernte wegen schlechten Wetters aus, erdrückte sie der Kredit. Um das zu verhindern, sollten sich die Bauern zusammenschließen: Man gründete Genossenschaften, bei denen jedes Mitglied für jedes andere haftete. Auch beim Ein- und Verkauf konnten sie gemeinsam bessere Preise erzielen. Die Idee breitete sich von Deutschland nach Österreich aus. 1886 gründeten 94 Bauern, Handwerker und Gewerbetreibende die erste Sparkasse unter dem Namen ‚Raiffeisen‘. Seitdem wurde das schwarz-gelbe Giebelkreuz – nicht zufällig die Farben der Habsburger-Monarchie – zum festen Bestandteil der Landwirtschaft in Österreich. Doch die Vorzeichen haben sich verändert: Aus den kleinen gemeinnützigen Genossenschaften, die teilweise nur aus sieben Bauern bestanden, wurde ein internationaler Konzern mit starken Profitinteressen. So gehören unter anderem die Niederösterreichischen Molkereien (NÖM) und das größte Milchverarbeitungsunternehmen Österreichs ‚Berglandmilch‘ zum Raiffeisenverband.“

Ähnliche Strukturen erkennt das Portal kontrast.at im Tourismus, in den Medien und anderen Bereichen des Alpenlandes. ++ (rf/mgn/08.04.21 – 044)

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