Wertheim/Baden-Baden, 4. Dezember 2020 (geno). Baugenossenschaften erwiesen sich vor 75 Jahren als Rettungsanker für rund 200.000 Ungarndeutsche. Sie waren im Zuge des von den Allierten beschlossenen Bevölkerungsaustausches innerhalb Europas in Deutschland gestrandet – als sogenannte „Kollektivschuldige“. Sie fanden Zuflucht in Franken, Hessen, Baden und Württemberg und brauchten eine neue Bleibe. Das nahm die Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen in die Hand. Sie brachte die Baugenossenschaftsinitiative Hettingen als erste ihrer Art in Deutschland auf den Weg und wurde 1946 als erster derartiger Zusammenschluss von Flüchtlingen und Vertriebenen gegründet. Schon im Jahr 1947 existierten in Nordbaden fünf solcher Baugenossenschaften. Sie firmierten unter der Bezeichnung „Siedlungswerk Neue Heimat“. Bald waren es 26 Genossenschaften.
Der spätere Dachverband „Neue Heimat e.V. Baden“ konnte 1973 auf den Bau von 40.000 familiengerechten Wohnungen zurückblicken. Dieses badische Modell „Baugenossenschaft“ basierte auf der Verpflichtung zu vielen Arbeitsstunden. Es hatte sich schon vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bewährt. Sein Schöpfer war der Pfarrer Heinrich Magnani, der aus einer Maurerfamilie stammte und mit dem Miltärgouvernement der Allierten ein gutes Verhältnis pflegte. Sein Mitstreiter war der Architekt Egon Eiermann, der aus dem zerbombten Berlin gekommen war.
Anhand des Instruments Baugenossenschaft lässt sich nachweisen, dass die Vertriebenen aus dem Status eines Opferdiskurses zu bringen und ihnen erfolgreiche Selbsthilfe beim Wohnungsbau und darüber hinaus kulturelle Selbstbehauptung ihrer Herkunft als Ungarndeutsche zu bieten. ++ (bg/mgn/04.12.20 – 158)
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