29.September 2020. Es geht in diesem Kommentar um den Antrag des Bundeslands Baden-Württemberg vom 02.09.2020 (Bundesrats-Drucksache 500/20), in dem das genossenschaftliche Prüfungswesen in Frage gestellt wird. Betroffen ist auch die Qualitätskontrolle in Bankgenossenschaften, Energiegenossenschaften und großen Wohnungsgenossenschaften. Diese zumeist in Großgenossenschaften organisierten Personengesellschaften haben  nun offensichtlich massive Probleme ihre  Existenzberechtigung nachzuweisen denn: Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im Interesse der 22 Millionen Genossenschaftsmitglieder in Deutschland einen Entwurf zur Änderung des Genossenschaftsgesetzes (GenG) auszuarbeiten, der dem Ziel einer verbesserten Bekämpfung sogenannter Kapitalanlagegenossenschaften dient.
Erforderlich sind nach Auffassung des Bundesrats zudem Nachschärfungen bei der Prüfung der Gründung von Genossenschaften. So sollten die Prüfungsverbände gesetzlich verpflichtet werden, neben ihrer gutachterlichen Äußerung nach § 11 Absatz 2 Nummer 3 Halbsatz 2 GenG künftig explizit zu prüfen, ob von der Genossenschaft ein zulässiger Förderzweck im Sinne von § 1 GenG verfolgt wird
. (Bundesratsdrucksache 500/20)

Diese Forderungen gelten noch Einschätzung von igenos auch für die Bestandsgenossenschaften. So haben die  Bankgenossenschaften, ohne Genehmigung der Mitglieder große Rücklagen angehäuft und sind zu Kapitalanlagegenossenschaften mutiert. Allerdings wird das angesammelte Genossenschaftsvermögen nicht an die Mitglieder ausgeschüttet, sondern versickert im Rahmen der Strukturbereinigungs- sprich Fusionspolitik in das Eigentum ständig größer werdender Genossenschaftsbanken.

Das bedeutet, die Region wird zu Gunsten eines zunehmend herrenlosen „Genossenschaftsvermögen“ regelrecht enteignet.
Eine Mitgliederförderung findet dagegen seit langem nicht merh statt. Mitglieder und Nichtmitglieder werden als Bankkunden gleich behandelt. 

Bei den Energiegenossenschaften wird die Prospektpflicht durch die Verwendung des Rechtsmantels eingetragene Genossenschaft umgangen. Energiegenossenschaften, die ihren Mitgliedern im Rahmen der Mitgliederförderung keine vergünstigte Energie anbieten, sind laut igenos als Kapitalanlagegenossenschaften  zu bewerten.  „Die bloße Kapitalanlage ist aber kein zulässiger Förderzweck nach dem GenG, weshalb solche Kapitalanlagegenossenschaften eigentlich gar nicht existieren dürften.“ (Bundesratsdrucksache 500/20)


Die Situation bei den großen Wohnungsbaugenossenschaften ist ähnlich gelagert. Auch hier weigern sich die Genossenschaftsorgane erwirtschaftete Überschüsse an die Mitglieder zurückzuzahlen. Große Wohnungsgenossenschaften in Ballungszentren erwirtschaften auch schon mal einen Jahresüberschuss in zweistelliger Millionenhöhe. Diese Beträge könnten in Form der genossenschaftlichen Rückvergütung wieder an die Mitglieder zurückfließen. Hierfür ist lediglich ein Mitgliederbeschuss notwendig. Allerdings sind die Mitglieder gar nicht über diese Form der Mitgliederförderung informiert.

Die vom GdW Gesamtverband der Wohnungswirtschaft   „verwalteten“ Genossenschaften haben sich regelrecht von der Genossenschaftsidee abgekoppelt. Mitgliederförderung und Mitbestimmung  sind Fremdworte. Der Unterschied zwischen Nutzungsgebühr (bzw deren Berechnungsgrundlage) und der im Teilmarkt durchsetzbaren Miete wird regelrecht negiert. Es besteht laut igenos jedoch keinerlei Veranlassung, dass sich Wohnungsgenossenschaften bei der Festlegung der Nutzungsgebühr an den lokalen Mietenspiegel orientieren.

Der im Genossenschaftsgesetz verankerte § 81, der eine Auflösung der Genossenschaft zwingend vorschreibt, wenn diese keinen zulässigen Förderzweck (mehr) verfolgt scheint langsam auch von staatlichen Stellen zur Kenntnis genommen zu werden. Die Rechtsform beteiligt ihre Mitglieder nicht am Vermögenszuwachs ihrer Genossenschaft. Die festzustellende, schleichende Entmündigung der Genossenschaftsmitglieder durch ihre Verbände ist keine Verschwörungstheorie.