Berlin, 30. Dezember 2017 (geno). In der Konsumgenossenschaft Berlin geht zu Silvester dieses Jahres eine Ära zu Ende. Sie war maßgeblich personifiziert durch Vorstand Heiderose Reimer. Die geht nun nach 21,5 Jahren an der Spitze dieser einst zu den größten deutschen Konsumgenossenschaften gehörenden Selbsthilfeorganisationen in den Ruhestand. Die Zeitung „Der Tagespiegel“ nimmt dieses Ereignis in seiner Sonnabendausgabe zum Anlass, um ein ausführliches Porträt von der oft in den Schlagzeilen befindlichen Genossenschaft und ihrer scheidenden Führungsfigur zu veröffentlichen.
Das mit dem Ausscheiden von Reimer abgeschlossene schillernde Kapitel der Unternehmensgeschichte war reich an wirtschaftlichen Tiefpunkten, leidenschaftlichen Mitgliederprotesten und anderen negativen Verwerfungen, die in der Insolvenz gipfelten.
Eine Hauptursache des Niedergangs war, dass die Leitungsetage der Genossenschaft nach der politischen Wende in der DDR vom „rechten Weg“ abkam. Sie verließ das seit Gründung im Jahre 1899 bewährte und vertraute Handelsgeschäft. Der Wechsel der Hauptaktivitäten in die wagehalsige Immobilienbranche erwies sich als verheerender wirtschaftlicher Einbruch und schließlich Zusammenbruch.
Reimer bestätigt den Marsch in die strategische Sackgasse: „Der zentrale Fehler war damals, sich vom Kerngeschäft zu lösen. Und das liegt doch im Handel.“ Die Einsicht kam zu spät. Mit 141 Millionen Euro Schulden wurde im Jahr 2003 die Insolvenz beantragt. Der Kriechgang auf unterster Ebene endete 2007. Der Preis war hoch. Dass Banken und Gläubiger auf einen Teil des Geldes verzichteten war der geringere Teil des Dramas. Aber der unermessliche Vertrauensverlust, den die Konsumgenossenschaft bei ihrer Mitgliedschaft erlitt, war geradezu katastrophal.
Die Geschäftsanteile der Mitglieder wurden von 56 Millionen Euro auf Null gesetzt. Viele verloren ihre gesamten Ersparnisse. Die Mitgliederzahl schrumpfte enorm. Zu Hochzeiten hatte die Genossenschaft 280.000 Mitglieder. Gegenwärtig gibt es nur noch 50.000 Berliner Konsumgenossenschaftler. Deren Geschäftsanteile werden nun im Schneckentempo wieder aufgestockt. Zwei Millionen Euro sind bislang geflossen. 40 Millionen fehlen noch. Der ehemalige Riese ist zum Zwerg mutiert.
Konsum Berlin ist kein Handelsunternehmen mehr. Nach Reimers Worten versteht man sich als Bestandshalter. Zur Substanz gehören 20 Immobilienstandorte , die der Genossenschaft ganz oder teilweise gehören. Mieter sind REWE-Märkte, Netto-Filialen und ein Tierfutterhändler. Konsum Berlin stellt nur die Gebäude und Grundstücke. Den Rest erledigen die Mieter selbst. Auf dieser schmalen Basis der Selbstbeschränkung gelang die Sanierung. Das künftige Tempomaß lautet „langsam und behutsam“. Dazu werden zwei Grundstücke bebaut und sollen 2019 fertig sein. Für zwei weitere Grundstücke wird auf die Baugenehmigung gewartet. Das alles geschieht dann unter der Federführung von Reimers Nachfolger: dem Banker Andre Gubarew.
Mit dem Personalwechsel des Aufsichtsratschefs Karl Kauermann im nächsten Sommer wird eine zweite Schlüsselposition personell verändert. Dann ist eine Zäsur in der langen Geschichte der Konsumgenossenschaft Berlin beendet. Eine neue Epoche sollte beginnen, in der das Bemühen um die Mitglieder dominant wird. ++ (kg/mgn/30.12.17 – 268)
www.genonachrichten.de, www.genossenschaftsnachrichten.wordpress.com, www.genossenschaftswelt.de, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), tel. 0176 / 26 00 60 27
1 Kommentar.
Herzlichen Dank an die jeweiligen Vorstände. ich werde dieses Jahr 80 Jahre alt und werde die Auszahlung meiner Anteile nicht mehr erleben.