Hamburg/Berlin, 13. Januar 2016 (geno). Die von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel erteilte Minstererlaubnis zur Übernahme der Einzelhandelskette Tengelmann durch Edeka bedeutet einen Angriff auf die Genossenschaftsstruktur des von Hamburg aus gesteuerten Unternehmens. Das geht aus einigen Veröffentlichungen vom Mittwoch hervor. So sollen die Kaisers-Tengelmann-Filialen nicht an selbstständige Handelsunternehmer übergeben werden, wie es im Genossenschaftsverbund von Edeka Usus ist. Stattdessen sollen die Tengelmann-Standorte unter dem Dach von Edeka mit „flächendeckenden Betriebsratsstrukturen“ betrieben werden. Dies ist befristet auf fünf Jahre. Danach dürfen die Geschäfte zwar von Selbstständigen übernommen werden, allerdings mit der Verpflichtung in Gestalt von Tarifverträgen, über zwei Jahre niemanden betriebsbedingt zu kündigen. Zur Überwachung der strengen Auflagen muss dem Minsterschreiben zufolge jährlich ein Statusbericht abgeliefert werden. Die „Süddeutsche Zeitung“ lässt dazu den Düsseldorfer Wettbewerbsökonomen Justus Haucap zu Wort kommen. Nach seiner Aussage verhindern Gabriels Bedingungen, dass die Tengelmann-Filialen frühzeit auf das Genossenschaftsmodell von Edeka umgestellt werden. Dieses sei jedoch dem Filialmodell von Tengelmann überlegen, „da es den einzelnen Marktleitern viel mehr Entscheidungsfreiheiten und auch Selbstverantwortung gibt.“
Die Umstände dieser Übernahme beweisen erneut das zwiespältige Verhältnis von SPD-Spitzenpolitikern mit der genossenschaftlichen Unternehmensweise im Allgemeinen und deren Umsetzung in der konkreten Praxis. Wie stümperhaft sich andere auf diesem eigentlich ureigenen sozialdemokratischen Aktionsfeld verhalten und jämmerlich versagen, hat vor rund anderthalb Jahrzehnten Berlins Bausenator Peter Strieder (SPD) bewiesen. Er hatte eine spezielle Verordnung für Berlin zur massenhaften Umwandlung von Ostberliner Plattenbauwohnungsquartieren in Genossenschaften erlassen. Die Wirkung dieser Regelung verkehrte sich regelrecht ins Gegenteil und beförderte korruptive Machenschaften. Die in diesem Zusammenhang entstandene Wohnungsbaugenossenschaft „Eigentum 2000“ in Berlin-Marzahn stürzte sogar in die Insolvenz. Seit 1974 wurden 21 Minstererlaubnisse beantragt. Davon waren bisher lediglich acht von Erfolg gekrönt. ++ (hl/mgn/13.01.16 – 008)
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