San Jose/Santa Cruz, 3. April 2020 (geno). Das mittelamerikanische Land Costa Rica ist stark genossenschaftlich geprägt. Ob es deswegen gleich als Genossenschaftsland bezeichnet werden kann, wie das der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) tut, ist zu bezweifeln. Das Urteil fußt auf dem Tatbestand, dass zehn Prozent der Einwohner von Costa Rica Genossenschaftsmitglieder sind. Hierzu ist anzumerken das der ICA – der Weltverband der Genossenschaftsbewegung, in seiner Statistik davon ausgeht, dass mindestens 12% der Weltbevölkerung genossenschaftlich organisiert sind. Aber auch in der Grundsatzfrage, eine Genossenschaft gesteuert wird, unterscheidet sich der vom DRGV vertretene Deutsche Weg vom weltweit gültigen Standard.
In jedem Fall bietet das auch „Schweiz Zentralamerikas“ genannte Land ein facettenreiches Bild seines kooperativen Sektors. Besonders stechen einerseits die Bereiche Landwirtschaft und Energie und andererseits in- und ausländische Kooperationsaktivitäten hervor. Wie sich das in Richtung dezentraler Elektroenergieversorgung auf Basis regenerativer Quellen entwickelt, hat die Deutsch-Costarikanische Industrie- und Handelskammer San Jose in einer Analyse von 2018 ausführlich dargestellt. Grundlage ist das Gesetz Nr. 8345 aus dem Jahr 2003, das für regionale Energieversorger und Genossenschaften gilt. Das Regelwerk beschreibt Genossenschaften, die mit dem Ziel gegründet wurden und werden, um den Mangel an Elektronenergie in ländlichen Gebieten zu beheben. Das Gesetz erlaubt es den Kooperativen, Energie direkt an die Verbraucher der jeweiligen Region zu verkaufen. Durch eine Gesetzesreform ist nunmehr nur noch der Einsatz von erneuerbaren Energien bei der Stromerzeugung durch Genossenschaften zulässig. Überschüssige Energie kann an die Organisation ICE verkauft werden. Sie ist die einzige Institution, die internationalen Stromhandel aus oder nach Costa Rica betreiben darf.
Zu den starken Energiegenossenschaften gehören die Kooperativen San Carlos, Los Santos und Guanacaste. Letztere – die Coopguanacaste – ist im Solarbereich in der Pazifikregion tätig, wo das größte Strahlungspotential vorherrscht. Dort ist seit 2017 das Großprojekt „Juanilama“ mit einer Gesamtkapazität von fünf Megawatt (MW) in Betrieb. Die Genossenschaft Coopguanacaste mit Hauptsitz in Santa Cruz, die 56.635 Mitglieder und 68.292 Strombezieher hat, ist das größte Unternehmen des Landes.
Die agrarische Genossenschaftsszene mit Kaffee und Zuckerrohr an der Spitze setzt weitere beachtliche Akzente im Bereich Kakaowirtschaft. Kakaobäume werden in Mischkultur angebaut. Zur Erntezeit von März bis Juni und von Dezember bis Januar werde eine halbe Tonne Fruchtfleisch pro Hektar – das sind zwischen 30 bis 40 Bäumen – gewonnen. Die Kerne werden getrocknet, geröstet und dann über eine Genossenschaft auch exportiert. Diesen Wirtschaftszweig beherrschen die Bibri. Das ist ein eingeborenes Volk. 6.000 Bibri verwalten ein Gebiet von rund 48.000 Hektar selbst.
Eine ganz andere Genossenschaftsstrategie verfolgt die Puro Verde eG aus dem Ausland. Die im März 2015 in Freiburg im Breisgau von sechs Öko-Enthusiasten gegründete Genossenschaft hat sich ganz der nachhaltigen Landwirtschaft in Costa Rica verschrieben. Schwerpunkte sind der Anbau von Bio-Ingwer, ökologischer Landbau und nachhaltige Forstwirtschaft. Puro Verde hat inzwischen 1.300 Hektar mit 30 heimischen Edelholzarten als Mischwald aufgeforstet. Die Gemüsepalette wird erweitert um Maniok, Bohnen und Wurzelgemüse. Ananas, Pfeffer und Zierpflanzen komen dazu. Puro Verde versteht sich als bürgerbeteiligtes Unternehmen, das selbst nachhaltige Landnutzung betreibt, beauftragt und fördert. ++ (la/mgn/03.04.20 – 053)
www.genonachrichten.de, e-mail: mg@genonachrichten.de, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), tel. 0176 / 26 00 60 27