IGA Jahrestreffen von Genossenschaftsforschern des Alpenraums: Versagen des Sozialstaates durch Selbsthilfe kompensieren

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IGA Innsbruck, 10. November 2017 (geno). Die auf der Jahrestagung des Internationalen Instituts für Genossenschaftsforschung im Alpenraum (IGA) am Freitag in Innsbruck von ihrem Vorsitzenden Prof. Mag. Arnulf Perkounigg gestellte dramatische Frage „Wozu noch Genossenschaften ?“ war rasch und klar beantwortet. Das tat beispielsweise Prof. Dietmar Rößl, Vorstand des Instituts für KMU-Management an der Wirtschaftsuniversität Wien, in seinem Vortrag über Genossenschaften als Motor für unternehmerische und soziale Innovation. „Da Genossenschaften Sachziele statt Investitionsziele im Fokus haben, sind ihre Geschäftsmodelle anpassungsfähig. Sie können Ziele jenseits von Rentabilitätskalkülen definieren und als Personenvereinigungen auch Sozialkapital in Form von freiwilliger Mitarbeit mobilisieren“, so der Wirtschaftswissenschaftler. Das prädestiniere Genossenschaften dafür, Pionierunternehmen zu sein und neue Märkte zu entwickeln, wo es derzeit noch keine Rendite gibt. Desweiteren könnten Genossenschaften dort einspringen, wo die staatliche Leistungserbringung versagt. Das setze allerdings voraus, den Förderauftrag zeitgemäß zu interpretieren. Als Vorzeigebeispiel nannte Rößl die Bäckereigenossenschaft BÄKO.  

Die Leiterin des „Competence Center Infrastrukturen – Energie, Abfall und Recycling“ vom Institut der Universität Luzern, Dr. Nadja Germann,  äußerte sich zur Genossenschaft als zukunftsweisende Gesellschaftsform in der Energieversorgung.

Wo Neugründungen von Genossenschaften erfolgreich initiiert werden können, erläuterte Michael Stappel. Der Leiter der Gruppe Makroökonomie und Branchenresearch bei der DZ BANK verwies auf eine wahre Gründerwelle, bei der auch völlig neue Genossenschaftsmodelle entstanden sind. Exemplarisch nannte er Ärztegenossenschaften, den Sektor Photovoltaik, genossenschaftliche Dorfläden, gewerbeübergreifende Handwerkergenossenschaften, Familiengenossenschaften und Kooperationen in der kommunalen Versorgung – vom Schwimmbad bis zur Schule.

Die Frage, ob genossenschaftliche Lokalbanken noch eine Perspektive haben, beantwortete der Geschäftsführer der Raiffeisenbank Bruneck, Anton Josef Kosta. Er ortet eine Renaissance der Solidarität und Mitverantwortung für die lokale Gemeinschaft. Das verhelfe dem breiten Förderauftrag der Genossenschaftsbanken – ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Rechtsformen – zu neuer Bedeutung. als konkretes Beispiel nannte Kosta die finanzielle Absicherung der Hinterbliebenen von Lawinenopfern. Damit übernehme seine Bank Verantwortung und zugleich kompensiere sie das Versagen des Sozialstaates durch Selbsthilfe.

 In der abschließenden Podiumsdiskussion waren sich  Konferenzteilnehmer und -Referenten einig darüber, dass das Genossenschaftsmodell fraglos zukunftsträchtig, aber kein Selbstläufer ist. Es bedürfe begeisterter Geschäftsleiter und Mitarbeiter, die den Förderauftrag modern interpretieren und auf aktuelle Probleme der Mitglieder eingehen.

Neben Wissenschaftlern und Forschungseinrichtungen sind 44 Genossenschaften – darunter viele Banken – Mitglieder des IGA. Die Mehrzahl ist ansässig in Tirol, Österreich, Südtirol, im Trentino und in Bayern. ++ (al/mgn/10.11.17 – 225)

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