Koblenz, 7. August 2017 (geno). Deutschland ist ein genossenschaftliches Entwicklungsland. Zu diesem Schluss kommt das Portal www.genossenschaftswelt.de zu Beginn dieser Woche angesichts Besorgnis erregender Tatbestände. In längst vergangenen Spitzenzeiten habe es in Deutschland 52.000 Genossenschaften gegeben. Jährlich kamen 2.000 bis 5.000 neue dazu. Gegenwärtig existierten nur 7.500 Genossenschaften. Damit sei ein absoluter Tiefpunkt erreicht. Neugründungen dümpeln vor sich hin. Nach Abzug von Löschungen aus den Genossenschaftsregistern habe es lediglich eine Vermehrung um „sehr müde“ 23 Genossenschaften gegeben. Die Statistik verdeutliche Deutschlands Absturz und Rückfall aus der Position eines Vorbildes.
Roß und Reiter der Misere werden genannt. „Dafür tragen wenige Verbandsfunktionäre aus lediglich zwei Großverbänden die Verantwortung. Fairerweise sei gesagt, eigentlich nur ein Großverband, denn im Bereich Wohnungsbau sind durchaus Unterschiede zu erkennen“, stellt genossenschaftswelt.de fest. Es sei „Ironie der Geschichte“, dass ausgerechnet aus den Kreisen der Krisenverursacher der Vorschlag gekommen ist, die Genossenschaftsidee als Projektvorschlag für eine deutsche Liste des immateriellen Kulturerbes zu nominieren.
Unter Bezug auf die beiden deutschen Genossenschaftspioniere Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen hatten die beiden nach ihnen benannten Gesellschaften sowie die Bundesländer Sachsen und Rheinland-Pfalz die Genossenschaftsidee zunächst für eine nationale Liste eingereicht. Nach einer weiteren Selektion platzierte sich das Vorhaben letztlich Ende 2016 sogar auf der UNESCO-Liste des immateriellen Weltkulturerbes erfolgreich. Angesichts der bedenkenswerten Zustände im eigenen Land haben sich damit die Initiatoren selbst unter enormen Zugzwang gesetzt. Dazu erläutert genossenschaftswelt.de eindrucksvolle Vergleiche. Gemessen an den Einwohnerzahlen und im Vergleich beispielsweise zur Schweiz müsste Deutschland eigentlich 95.000 Genossenschaften haben. Die deutsche Realität lässt diese Zahl auf rund ein Zwölftel schrumpfen. Wenig schmeichelhaft sieht dieses Verhältnis auch mit anderen europäischen Ländern wie Spanien, Frankreich, Italien, Schweden und Finnland aus.
Jedoch ist noch nicht erkennbar, dass der in Deutschland so entstandene Handlungsdruck in einleuchtenden und konstruktiven Perspektivkonzepten mündet. Allgemein bekanntgemacht wird derzeit lediglich ein Gedenkjahr für Friedrich Wilhelm Raiffeisen, dessen Geburtstag sich 2018 zum 200mal jährt. Befürchtet wird, dass es sich dabei mehr um einen wohlwollenden Rückblick und weniger um einen zukunftsweisenden Ausblick dreht.
Nach Informationen von genossenschaftswelt.de liegt andererseits seit geraumer Zeit ein diskussionswürdiges umfassendes Konzept auf dem Tisch. Darin wird beispielsweise die Installation eines „GenossenschaftsParlaments“ und eines „GenossenschaftsRates“ vorgeschlagen. Bestandteil des basisdemokratischen Lösungsmodells ist die Anerkennung der momentan vorhandenen genossenschaftlichen Organisationsstrukturen in Deutschland. Damit wäre zumindest eine stabile Brücke zum Eintritt in einen vertieften Dialog geschlagen. Allerdings ist das Echo bislang verhalten. ++ (vb/mgn/07.08.17 – 157)
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