Ethische Aspekte der genossenschaftlichen Unternehmensform, Vortrag von Prof. Dr. Dr. h.c. Julian Nida-Rümelin, Staatsminister a. D., Seminar für Philosophie, Ludwig-Maximilians-Universität München, an der Universität Hamburg am 17.01.19.
Prof. Dr. Dr. h.c. Julian Nida-Rümelin berät die Bundesregierung u.a. zu ethischen Aspekten im autonomen Individualverkehr und entwickelte einen Wertekodex mit und für die Finanzwirtschaft (nach der Finanzkrise). In seinem Vortrag widerlegt er die Ansicht, dass Wirtschaft und Ethik grundsätzlich nicht zusammengehören und benennt genau diese herkömmliche Annahme als eine der Voraussetzungen, die zur Krise in der Finanzwirtschaft geführt haben.
Genossenschaften böten durch ihre Prinzipien beste Voraussetzungen, Ethik und Wirtschaft gut zusammenzubringen – dies allerdings erstmal nach innen gerichtet und auch ohne Garantie. Demokratien leben von Voraussetzungen, von Werten wie Solidarität, Empathie, Kooperation, die sie selbst nicht garantieren können, weil sie in Demokratien nicht erzwingbar sind. Genossenschaften verfügen über institutionelle Voraussetzungen, um diese Werte zu implementieren und zu stabilisieren. Deshalb gelte es Genossenschaften ganz besonders zu fördern, auch über traditionelle Bahnen hinweg. „Ob die Politik sich gewahr ist, welchen Schatz wir dort haben, kann man nicht wissen.“
Gemeinwirtschaft, ein Thema das international stark genossenschaftlich angegangen wird, sei bereits im Mainstream angekommen. Themen wie wachsende Ungleichheit nehme selbst eine Financial Times auf. Die Praxis komme allerdings noch nicht mit. Der Neoliberalismus begann in den 1970er Jahren und brauchte rund 20 Jahre, um in der Praxis anzukommen. Wir gehen davon aus, dass es die Gemeinwohlökonomie auch mit Hilfe der Digitalisierung und auch in Deutschland schneller in die Praxis schafft und unterstützen dies u.a. durch die Initiierung von Praxisprojekten. Der Vortrag war Teil einer Ringvorlesung zum Thema Genossenschaften im Aufbruch.
Claudia Henke Co-Founder h3-o eG
Ein Kommentar von Gerald Wiegner, Redaktion Genonachrichten: Genossenschaften im Aufbruch. Wichtig ist zunächst einmal eine kritische Bestandsaufnahme und eine Positionsbestimmung. Wo steht unsere „Genossenschaftsbewegung“ heute und wo wollen wir eigentlich hin? Wer sind unsere Wegbegleiter?
Unser Genossenschaftsgesetz umschreibt die Aufgabe und Funktionsweise des Systems Genossenschaft recht genau. Es geht immer noch um die Förderung der Mitglieder durch ihre Genossenschaft. Insofern ist die Rechtsform Genossenschaften eine charmante Lösung das Problem der „Ungleichverteilung“ zu lösen – zumindest theoretisch,
denn bereits von vor 130 Jahren gab es berechtige Zweifel.
Was ist aber Gemeinwohlökonomie? In Europa gibt es unzählige Verordnungen, sei es nun zum Brandschutz oder auch zum Datenschutz. Es fehlt aber eine verbindliche Definition was genossenschaftliche Selbstorganisation überhaupt ist und wie diese funktionieren soll.
Sozialgenossenschaften haben z.B. nach der Deutschen Gesetzgebung häufig ein Problem ihren Förderauftrag zu definieren. Sozialgenossenschaften stehen ebenfalls für Selbstorganisation und sind ein Produkt der genossenschaftlichen Evolution.
Ein Blick nach Südtirol zeigt wie Sozialgenossenschaften tagtäglich funktionieren. Sie korrigieren Fehlentwicklungen und bieten Problemlösungen für Benachteiligte.
Die MONDRAGON Cooperative im spanischen Baskenland belegt, dass Genossenschaften auch im Produktions- und Dienstleistungssektor erfolgreich sind und auch unter den derzeit gegebenen Wettbewerbsbedingungen funktionieren. ARLA und Kerrygold stehen für Wertschöpfung durch „Markenaufbau und Markenpflege“. Gibt es Vorbilder für eine neue Kooperationsgesellschaft? Welchen gesellschaftlichen Stellenwert werden Genossenschaften künftig haben?