Rosa Luxemburg nennt Genossenschaften Zwitter und Inseln sozialistischer Süßigkeit

Köln/Berlin, 14. Januar 2019 (geno). Die kommunistische Ikone Rosa Luxemburg, die vor 100 Jahren zusammen mit Karl Liebknecht von Freikorps-Soldaten ermordet wurde, bezog eine sehr zwiespältige und distanzierte Position zu Genossenschaften. In ihrem Werk „Sozialreform und Revolution“ schrieb sie: „Was die Genossenschaften, und zwar vor allem die Produktivgenossenschaften betrifft, so stellen sie ihrem inneren Wesen nach inmitten der kapitalistischen Wirtschaft ein Zwitterding dar: eine im kleinen sozialisierte Produktion bei kapitalistischem Austausche“. In der Produktivgenossenschaft ergebe sich daraus die widerspruchsvolle Notwendigkeit für die Arbeiter, sich selbst gegenüber die Rolle des kapitalistischen Unternehmers zu spielen. An diesem Widerspruch gehe die Produktivgenossenschaft auch zugrunde, indem sie entweder zur kapitalistischen Unternehmung sich rückentwickelt oder, falls die Interessen der Arbeiter stärker sind, sich auflöst.

Nach Auffassung des Kölner Linkspolitikers Claus Ludwig argumentierten damals wie heute die Reformisten gegen Luxemburgs Ideen. Jedoch bestätige sich quer durch alle Abschnitte der Geschichte und aller Kontinente jedoch Luxemburgs Standpunkt. Nirgendwo, weder in Deutschland noch international, hätten sich im Bereich der Produktion genossenschaftliche Modell durchsetzen können.( 1 ) Luxemburg weise nach, dass „das Meer der kapitalistischen Bitternis“ nicht durch „das flaschenweise Hinzufügen sozialreformischer Limonade“ in ein „Meer sozialistischer Süßigkeit“verwandelt werden kann. Für die Genossenschaften heiße das: die Inseln „sozialistischer Süßigkeit im kapitalistischen Meer“ würden irgendwann selbst bitter.

Ludwig weist daraufhin, dass sich die DIE LINKE seit dem Beschluss über das Erfurter Parteiprogramm im Jahr 2011 stärker mit der Genossenschaftsidee beschäftigt. Allerdings klinge die Formulierung, dass die Solidarökonomie einen wichtigen Beitrag zur kurzfristigen Senkung der Lebenshaltungskosten sowie zur besseren Versorgung mit Konsumgütern und Service leistet, zwar nett. Sie widerspreche aber der Realität. Dort führten traditionelle Genossenschaften und neue Formen der Sozialökonomie, mit Ausnahme der Wohnungsgenossenschaften, ein Nischendasein. Die letzte große Gründerwelle des deutschen Genossenschaftswesens habe es nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben. Geringfügige Wellen folgten mit dem Aufbau kleiner selbstverwalteter Produktionsbetriebe wie Druckereien sowie ab Ende der 90er Jahre mit der Gründung von stadtteilbezogenen Genossenschaften im Dienstleistungssektor. Dabei handele es sich sowohl um Zusammenschlüsse von Selbstständigen beispielsweise im IT-Bereich als auch um direkte Ausgliederungen aufgrund von Privatisierung in den Sektoren Gesundheit und Sozialarbeit. Im Übrigen unterlägen Genossenschaften auch der Tendenz zur Monopolisierung. Ihre Zahl sei von 1960 bis 2000 auf rund ein Drittel geschrumpft. Dagegen habe sich die Zahl ihrer Mitglieder, meist Bankkunden, verdoppelt.

Unter dem Strich, so Ludwig, dürften in der „echten“ solidarischen Ökonomie zwischen 100.000 und 300.000 Menschen beschäftigt sein. Das seien zwischen 0,25 und 0,75 Prozent aller Erwerbstätigen. Im Vergleich zur Privatwirtschaft mit ihren Konzernen und dem öffentlichen Sektor spiele die „solidarische Ökonomie“ eine Nebenrolle. ++ (rl/mgn/14.01.19 – 009)

( 1 ) Diese Aussage ist nicht korrekt. Als Gegenbeispiel  möchten wir hier den MONDRAGON Konzern anführen. Genonachrichten zu MONDRAGON sind hier verlinkt.

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