Schwer verdaulich: Das Dilemma mit den DDR-Agrargenossenschaften

Karlsruhe, 2. Oktober 2024 (geno) Die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) prägen bis heute den ostdeutschen Agrarsektor. Und das seit mehr als 70 Jahren. Zu DDR-Zeiten waren sie ein ständiger Zankapfel zwischen den DDR-Oberen und der sowjetischen Besatzungsmacht. Ursache war, dass die jeweilige Ernährungs- und Versorgungslage die politische Stimmung im ganzen Land beherrschte. Das unkalkulierbare und traditionsreiche Rebellentum der Bauernschaft lag der DDR-Führung, nicht nur schwer im Magen, sondern regelrecht „auf der Seele“. Sie zu bändigen wurde dennoch aus Moskau angeordnet.

Das geschah schon unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Wenige Jahre später stellten Spitzenpolitiker in Moskau und Berlin in einem streng geheimen Dokument von Anfang Juni 1953 fest, dass die Schaffung der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften übereilt war, ohne die dafür notwendige Grundlage im Dorf herzustellen. „Es ist soweit gekommen, daß zur Zeit über 500.000 ha Land verlassen sind und brachliegen, daß die sparsamen deutschen Bauern, die sonst stark an ihrem Landstück hängen, begannen massenhaft ihr Land zu verlassen und sich nach Westdeutschland zu begeben“, heißt es in dem Geheimpapier von 1953, das vom SED-Politbüro im Beisein des Hohen Kommissars der UdSSR in der DDR, Semjonow, beschlossen worden ist. Alle LPG seien „sorgfältig zu überprüfen und diejenigen, die auf unfreiwilliger Basis geschaffen worden sind oder sich als lebensunfähig erwiesen haben“, seien „aufzulösen“.

Dabei war der eigentliche Hintersinn einer Genossenschaft weder Praktikern noch Theoretikern ausreichend bewusst gewesen. Dass der Begriff „Genossenschaft“ kaum Zugang zu den Hirnen der ostdeutschen Landwirte fand, dürfte auf den seit Jahrhunderten festgefügten Grundeigentumsverhältnissen beruhen. Es mangelt in Deutschland an genossenschaftlicher Identität. Dieser Zustand dauert bis heute an. Aus dieser historischen Entwicklung ergibt sich nun die grundsätzliche Chance, die „Genossenschaftsidee“ neu zu beleben und ihr damit den Weg in die Zukunft zu ebnen. Dass die Rechtsform der Genossenschaft in Deutschland nur eine Randerscheinung ist, wurde in den GenoNachrichten wiederholt betont. igenos will diese scheinbare Schwäche nutzen und in eine Stärke transformieren. Ja, in Deutschland gibt es Nachholbedarf. Reden wir darüber! Denn andersherum zeigt uns die Geno-Ratio hier auch ein erfreulich großes Wachstumspotenzial. Es bestehen allerdings berechtigte Zweifel, ob die etablierte genossenschaftliche Selbstverwaltungsorganisation ein Interesse hat konstruktiv hinzuwirken. Dabei verdient der dritte Weg eine zweite Chance. ++ (gn/mgn/02.010.24 – 119)

www.genonachrichten.de, e-mail: mg@genonachrichten.de, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), tel. 0176 / 26 00 60 27

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