Addis Abeba/Bonn, 30. August 2024 (geno) Der „Countdown“ der Genossenschaftsidee ist in vollem Gange. Die Genossenschaftsidee wurde 2016 als erste Kulturform aus Deutschland in die Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbe der Menschheit eingeschrieben. Es bleibt abzuwarten, ob diese Würdigung vor der Deutschen UNESCO Kommission (DUK) Bestand haben wird, ob sie stillschweigend hingenommen oder in Frage gestellt wird. Die Anforderungen an eine UNESCO Ehrung sind erheblich und dienen dem Schutz und Erhalt des Kulturguts.
Wäre es nicht ehrlicher die hohe Auszeichnung vorsorglich selbst zurückzugeben?
Wie hat sich die Genossenschaftsidee in Deutschland entwickelt? Im europäischen Vergleich ist die Rechtsform Genossenschaft in Deutschland alles andere als erfolgreich. Die großen Wohnungsgenossenschaften sehen sich mit erheblichen Herausforderungen im Umgang mit ihren „Genossen“ konfrontiert. Auch die Werbeaussagen der VR-Banken, die sich auf die Genossenschaftsidee berufen, erreichen ihren Höhepunkt an Heuchelei. Diese Werbebotschaften sind nicht nur kritisch zu betrachten, sondern weisen zudem eine geringe Übereinstimmung mit der Realität auf. In diesem Kontext sei darauf verwiesen, dass der Vorstand des BVR (Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken) von einer Genossenschaftsbank im Juni 2023 beim Landgericht Berlin angezeigt wurde. Die Klage umfasste unter anderem den Vorwurf eines Verstoßes gegen die eigene Satzung, fehlende Transparenz, Amtsanmaßung sowie eine systemimmanente Missachtung genossenschaftlicher Werte. Die Satzungsänderung des BVR setzt seine Mitglieder einer unzumutbaren Pflichtenkollision aus. Es geht um das legitimes Informationsinteresse der Mitglieder der Genossenschaft.
Die Deutsche UNESCO-Kommision formuliert ihre Vorstellungen von Genossenschaft wie folgt: “ Die Genossenschaftsidee ist ein überkonfessionelles Modell der Selbsthilfe, Selbstverwaltung sowie Selbstverantwortung. Ihr grundlegender Rahmen beruht auf Werten wie Solidarität, Ehrlichkeit und Verantwortung. Diese Vereinigungen mit gemeinschaftlichem Geschäftsbetrieb stehen allen Menschen offen, stärken individuelles Engagement und ermöglichen soziale kulturelle und ökonomische Partizipation.“
Für die Soziologin Mareike Alscher, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Wissenschaftszentrum Berlin, stand 2018 vor allem die zivilgesellschaftlichen Potenziale von Genossenschaften in den Mittelpunkt: Durch ihre demokratische Organisationsstruktur, ihre starke Mitgliederorientierung und ihr bürgerliches Engagement übernehmen sie gesellschaftliche Verantwortung nach innen und außen. Sie eröffnen einen breiten Raum für ehrenamtliches, gemeinwohlorientiertes Engagement. Zweck der Genossenschaften ist für Alscher die Förderung der Selbsthilfe der Mitglieder sowie ihrer sozialen und kulturellen Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb.
Für einen Großteil der ca. 23,5 Millionen Mitglieder der Genossenschaftsbanken und Wohnungsgenossenschaften ist Partizipation und Teilhabe jedoch kein Thema. Die Zeit ist reif für eine bundesweite Aufklärungskampagne unter dem Motto: „Genossenschaft (er)leben. Wenn schon Genossenschaft, dann richtig! “
++ (un/mgn/30.08.24 – 114)
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