Unabhängigkeit. Problematisch sind vor allem finanzielle Abhängigkeiten. Betrachtet man die Jahresabschlüsse von Genossenschaftsbanken, so fällt auf, dass die Höhe der dort offen ausgewiesenen Forderungen gegen Vorstand und Aufsichtsrat sehr unterschiedlich ist. Während gegen den Vorstand häufig keine oder nur geringe Kreditforderungen bestehen, bewegen sich die Kreditforderungen gegen Aufsichtsratsmitglieder in beträchtlicher Höhe.
Derartige Kreditverbindlichkeiten führen naturgemäß zu finanziellen Abhängigkeiten, da das einzelne Aufsichtsratsmitglied bei der Kreditgewährung, Kreditbetreuung und Kreditverlängerung auf das Wohlwollen des Vorstandes angewiesen ist. Derartige Abhängigkeiten können naturgemäß auch dazu führen, dass das betroffene Aufsichtsratsmitglied seine Überwachungsfunktion aus emotionalen Gründen anders wahrnimmt und lieber wegschaut, als intensiv nachzufragen und Kritik zu üben, wo sie notwendig ist.
Für die Aufsichtsratsmitglieder einer Genossenschaft muss immer das Wohl und Interesse der eigenen Genossenschaft und ihrer Mitglieder im Vordergrund stehen.
Jede eingetragene Genossenschaft hat die Pflicht, ihre Mitglieder zu fördern. Alle Geschäfte und Handlungen der Genossenschaft, vertreten durch den Vorstand, haben sich diesem Ziel unterzuordnen.
Zuständigkeit: Ein Aufsichtsrat übt die Aufsicht aus, d.h. er ist verpflichtet, den Vorstand zu kontrollieren. Selbst Steuerberater oder Rechtsanwälte haben oft nur rudimentäre Kenntnisse im Genossenschaftsrecht und betrachten den genossenschaftlichen Förderauftrag als Sozialromantik. Die Mitglieder des Aufsichtsrates sind den anderen Genossenschaftsmitgliedern gegenüber verpflichtet, sich die notwendigen Fachkenntnisse anzueignen. Entsprechende Kosten für Fachliteratur und Seminare sind von der Genossenschaft zu tragen.
Bei größeren Wohnungsgenossenschaften werden häufig ehemalige politische Funktionäre oder Kommunalpolitiker als Aufsichtsrat oder Vorstand in die Genossenschaft eingeschleust. Diese „Berufsfunktionäre“ werden pro forma als Mitglieder aufgenommen und sprechen dann im Namen der Genossenschaft. Auch diese Unsitte muss dringend zur Diskussion gestellt werden.
Georg Scheumann, Vorstand igenos e.V.