Bullay, den 23.06.2023/igenos. Der Titel dieses Beitrags erscheint zunächst gewagt und der BVR (Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V) wird behaupten, das sei wieder einmal „völlig aus der Luft gegriffen“, doch für die Berechtigung der damit zum Ausdruck kommenden Thematik gibt es hinreichende Belege, auf die im Folgenden hingewiesen wird.
- In Geschäftsberichten ist fast durchweg nur noch von Kunden und Geschäftspartnern die Rede, wobei allenfalls noch zwischen Privat- und Firmenkunden unterschieden wird. Das Wort „Mitglied“ findet kaum noch Verwendung. Das muss sehr verwundern, geht doch aus dem Genossenschaftsgesetz und dem Firmenzusatz „eG“ eindeutig hervor, dass es sich bei einer Volks- oder Raiffeisenbank um eine Einrichtung ihrer Mitglieder handelt.
Interessant wäre für die interessierte Öffentlichkeit, in welcher Größenordnung sich der jeweilige Kundenkreis aus Mitgliedern und Nichtmitgliedern zusammensetzt. Denn nicht selten reicht die Zahl der Nichtmitglieder an jene der Mitglieder heran oder geht sogar darüber hinaus. Das bestärkt nicht nur den externen Beobachter, sondern auch Mitglieder in der Vermutung, dass das bankgenossenschaftliche Management die Genossenschaft nicht mehr als das Gemeinschaftsunternehmen der Mitglieder, sondern vorzugsweise als eine Bank wie jede andere sieht und sie als solche nach außen präsentieren möchte. Es findet eine Diskriminierung der Mitgliedschaft statt.
- § 1 GenG (Wesen der Genossenschaft) legt der Rechtsform eG die Pflicht zur Förderung der Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs auf. Förderung bleibt zumeist auf die Verteilung einer Dividende auf das eingebrachte Geschäftsguthaben beschränkt, gewissermaßen als Ausgleich für entgangene Erlöse bei anderweitiger Investition der Kapitalbeteiligung.
Die de facto Gleichbehandlung von Mitgliedern und Nichtmitgliedern wird mit dem Scheinargument zu begründen versucht, eine Besserstellung der Mitglieder würde steuerlich als verdeckte Gewinnausschüttung gewertet. Der Einwand, die „Beiträge“ an die Genossenschaft, zu denen das Mitglied qua Mitgliedschaft, aber eben kein Nichtmitglied verpflichtet ist, würden selbstverständlich eine Vorzugsbehandlung rechtfertigen, wird als unzulässig abgetan.
- Die Mitglieder als Miteigentümer der eG sind – wegen der Pflicht zur Mitgliederförderung – beim Ausscheiden aus der Genossenschaft nicht am Vermögen der eG beteiligt, denn von der in § 73 (Auseinandersetzung mit ausgeschiedenem Mitglied) Abs. 3 GenG eingeräumten Möglichkeit, Mitgliedern bei „Beendigung der Mitgliedschaft einen Anspruch auf Auszahlung eines Anteils an einer zu diesem Zweck aus dem Jahresüberschuss zu bildenden Ergebnisrücklage einzuräumen“, wird so gut wie kein Gebrauch gemacht. Für die verweigernde Haltung ist keine Begründung bekannt.
- Genossenschaften anderer Sparten des deutschen Genossenschaftssektors, wie z. B. Wohnungsgenossenschaften haben kein Problem damit, in ihren Geschäftsberichten auszuweisen, auf welche Art und Weise sie im abgelaufenen Geschäftsjahr ihre Mitglieder ökonomisch und sozial gefördert haben. Vergleichbares erfährt das Mitglied einer Bankgenossenschaft in aller Regel nicht.
- Stattdessen wird über stattgefundene Förderung der umgebenden Region und Zivil- gesellschaft berichtet– als Beitrag zum Gemeinwohl. Die seltsame Begründung lautet etwa: Wenn es der Region gut geht, hat auch das Mitglied einen Nutzen davon, und zwar in Form einer indirekten Förderung. Wenn dann eine wirkliche Förderung der Mitglieder nicht oder kaum auszumachen ist, stellt sich die Nutzenstiftung für die Allgemeinheit als vorenthaltene Mitgliederförderung dar. Die Mitglieder werden nicht mehr als vorrangig zu unterstützende Zielgruppe behandelt.
Folgerungen daraus:
Die oben vorgebrachten Tatbestände laufen am Ende auf die Frage zu, welche Existenzberechtigung eine Genossenschaftsbank hat, die offenbar mit dem ihr per Gesetz zugewiesenen Förderzweck so recht nichts anzufangen weiß. Obwohl gemäß § 58 Abs. 1 Satz 3 GenG im Prüfungsbericht des zuständigen Verbandes dazu Stellung zu nehmen ist, ob und auf welche Weise die Genossenschaft einen zulässigen Förderzweck verfolgt hat. Kann es sein, dass auch diese gesetzliche Vorgabe eine Beachtung weder verdient noch findet?
Nun könnte das nicht durch materielle Förderung in Form von günstigen Konditionen verwöhnte Mitglied immaterielle Förderung z. B. die räumliche Nähe einer Geschäftsstelle seiner Genossenschaftsbank oder die persönliche Beziehung zu den Bankmitarbeitern ersatzweise zu schätzen wissen. Aber bei aktuell zunehmender Schließung von Filialen auch imGenossenschaftssektor wird dem in seinen Ansprüchen bescheiden gewordenen treuen Mitglied auch dieses Privileg genommen. Nebenbei bemerkt hätte man dafür nicht Mitglied werden müssen, denn der Vorteil räumlicher Nähe der Bank hätte man auch als Nichtmitglied genießen können.
So bleibt die Frage: Wozu eigentlich Genossenschaftsbanken?
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Anmerkung der Redaktion GenoNachrichten: Siehe hierzu auch: Sind Volksbanken Genossenschaften?