Nürnberg, den 17.03.2023. Die Auflösung einer Genossenschaft und die Verteilung des Genossenschafts vermögens im Zusammenhang mit einer Fusion ist strittig. Diese Frage wird derzeit vor dem Landgericht Nürnberg verhandelt. igenos e.V. ist, als Interessenvertretung der Genossenschaftsmitglieder, der Auffassung, dass die Auflösung einer Genossenschaft mit Vermögensübertragung auf die aufnehmende Genossenschaft als Verstoß gegen den genossenschaftlichen Förderauftrag gemäß § 1 GenG gewertet werden kann. Ein Beispiel dafür ist die Auflösung der Raiffeisenkasse Erbes-Büdesheim, deren Anteile (Nominalwert 250,-€) einen inneren Wert von 9.040,-€ aufwiesen. Durch die Auflösung der übertragenden Genossenschaft fand laut igenos eine „Entrechtung“ und „Enteignung“ der Anteilseigner statt, zumal die Mitglieder nicht über die Alternativen zu einer Fusion aufgeklärt wurden. Eine bereits geplante Genobank-Revolution fand jedoch nicht statt, obwohl sich einige Landwirte für den Erhalt der Selbstständigkeit einsetzten. Eine Ausgliederung des Warengeschäfts und ein Erhalt der Genossenschaft konnten von den Mitgliedern (Eigentümern) nicht durchgesetzt werden.

Der DGRV versteht sich als politischer Spitzenverband der Genossenschaftsorganisation und ist anderer Auffassung. Die Genossenschaftsorganisation, damit sind auch die genossenschaftlichen Prüfungsverbände gemeint, vertreten ausdrücklich keine Interessen einzelner Mitglieder oder Mitgliedergruppen.
Der DGRV ist der Auffassung, dass Mitglieder von Genossenschaften sind grundsätzlich nicht an den Rücklagen und sonstigem Vermögen der Genossenschaft (einschließlich stiller Reserven) beteiligt sind. Laut DGRV hat das Mitglied nur Anspruch auf sein Geschäftsguthaben zum Nennbetrag (Auseinandersetzungsguthaben). Dieses wird als genossenschaftliches Nominalwertprinzip bezeichnet. Da das Mitglied von den Leistungen der Genossenschaft, aber nicht von einer Wertveränderung seiner Anteile – wie z.B. bei einer Aktiengesellschaft – profitiert. Nach Ansicht des DGRV ist dieses Nominalwertprinzip auch Ausdruck des gesetzlich festgelegten genossenschaftlichen Förderprinzips.

Der DGRV (Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband e.V.) vertritt als Spitzenverband die Interessen der genossenschaftlichen Verbände und deren ca. 5.000 Beschäftigten. Das System basiert seit 1934 auf einer Zwangsmitgliedschaft von der auch die angeschlossenen 5.210 DGRV Genossenschaften betroffen sind. igenos ist der Meinung, dass die Mitgliederförderung in den heute vorherrschenden genossenschaftlich organisierten Großbanken gar nicht umgesetzt werden kann, da z.B. Mitglieder und Nichtmitgliederkunden gleichbehandelt werden.

Laut igenos entspricht die Fusionspolitik reinen Verbandsinteressen und ist auch keine zeitgemäße Antwort auf die Digitalisierung des Bankgeschäfts.
Bei der Auflösung einer Genossenschaft wird z.B. das Vermögen der Genossenschaft unter den Mitgliedern aufgeteilt. Die Rechnung ist einfach. Das Vermögen wird durch die Anzahl der Genossenschaftsanteile geteilt.


Bei einer Fusion oder Verschmelzung sieht die Regelung bislang anders aus. Hier wird das Vermögen beider Fusionspartner, unabhängig vom tatsächlichen „inneren Wert“ der Anteile, in einen Topf geworfen. Es gibt keinen am jeweiligen Unternehmenswert festgemachten Umrechungskurs.

Haben es sich die Prüfungsverbände in der Vergangenheit in ihren Verschmelzungsbericht vielleicht zu einfach gemacht? Oder steckt doch mehr dahinter? Vorstände und Aufsichtsräte sind den Empfehlungen der Verbände gefolgt und haben den Fusionen zugestimmt.

Die Mitglieder kannten weder die Folgen noch die Alternativen zu einer Fusion. Sie stimmten aber trotzdem zu. Erst nachdem die letzte Bankfiliale geschlossen hat und der letzte Geldautomat in der Region abgebaut ist, wird es den Genossen deutlich: Die Plünderung der Region ist abgeschlossen. Raiffeisen ist Geschichte.

Mit einer rechtswissenschaftlichen Studie von Volker Beuthien, langjähriger geschäftsführender Direktor des Marburger Instituts für Genossenschaftswesen und Kommentator zum deutschen GenG, und von Verena Klappstein, die am Marburger Institut forschte und sich an der Universität Passau habilitiert, liegt nicht nur eine umfassende, sondern auch wissenschaftlich äußerst hochwertige Antwort vor. Diese umfassende Untersuchung zur Kapitalerhaltung und Überschussverwendung im Genossenschaftsrecht war lange überfällig.  Darf eine Genossenschaft mehr Rücklagen bilden, als dies zur Sicherung des Förderzwecks erforderlich ist? Die Autoren des vorliegenden Bandes untersuchen dazu das Genossenschaftsrecht, das deutsche und europäische Gesellschaftsrecht sowie die gängige Genossenschaftspraxis und üben Kritik an deren Geschäftspolitik. Diese Kritik ist mehr als berechtigt zumal das Vermögen der Kreditgenossenschaften, aber auch der großen Wohnungsgenossenschaften beträchtlich angewachsen ist und sogar im europäischen Maßstab in den Blick geraten ist, wie Umwandlungen in Aktiengesellschaften und Börsengänge etwa in Italien belegen.
Literaturempfehlung der GenoNachrichten: Volker Beuthien / Verena Klappstein. Sind genossenschaftliche Rücklagen ein unteilbarer Fonds?
+++update 28.Juli 2023 Finden Sie das Thema Verschmelzung ohne Wertausgleich interessant? +++ hier und hier geht es zu einem update in denen auch die Rolle der Genossenschaftsverbände bei einer Fusion kritisch hinterfragt wird.

DGRV, Fusion Enteignung, igenos
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