Wird die Mitgliedschaft zur Formalität

Bullay, den 25.01.2023/igenos. Weil es dem Wettbewerb nicht gelingt, die genossenschaftliche Mitgliedschaft zu imitieren, stellt diese das wohl markanteste Identifikationsmerkmal und eine wertvolle „strategische Ressour­ce“ darstellt. Was einen Wert verkörpert, über den Unternehmen anderen Typs nicht verfügen, macht Genossenschaften unverwechselbar. Doch wie geht die Praxis zum Teil damit um? In Prospektmaterial, das auf die Gewinnung neuer Mitglieder zielt, wird nicht selten damit geworben, dass die Mitgliedschaft einfach zu erwerben sei. Es genügt die Unterschrift der am Beitritt zur Genossenschaft Interessierten unter ein Formular. Sie werden kaum über die durch Gesetz und Satzung bestimmten Mitgliedschaftsrechte wie Teilnahme an Mitgliederver­sammlungen, Stimmrecht, das aktive und passive Wahlrecht sowie das Recht auf Auskunft und die Organschafts- und vermögensrechtlichen Pflichten eines Mitglieds aufgeklärt. Der Wahrheits­gehalt dieser Aussage lässt sich überprüfen, indem man sich in der Geschäftsstelle einer Ge­nossenschaftsbank nach Details der Mitgliedschaft erkundigt.

In dem Maße, wie die Mitgliedschaft zwar gelegentlich als „Alleinstellungsmerkmal“ betont, aber außerhalb von Werbekampagnen nur zurückhaltend kommuniziert und Mitgliedschaftsanwär­tern angetragen wird, findet eine Verwässerung dieses ideellen Kerns einer Genossenschaft bis hin zur bloßen Formalität statt. Bleiben dann während der Zugehörigkeit zum Kooperativ die subjektiven Fördererwartungen aus, die für den Beitritt entscheidend waren, ist der Mit­gliedschaft keine wirkliche Bedeutung zuerkannt. Unter solchen Umständen sind die Chancen für eine individuelle Bindung an die Genossenschaft gering. Das Mitglied wird leicht dazu neigen, seine Leistungsbeziehungen auf vorteilhafte Umsatzakte zu beschränken, aber nicht daran interessiert sein, auf der Selbstverwaltungsebene aktiv zu werden

Es fällt sicher schwer, der Mitgliedschaft einen besonderen Wert abzugewinnen, wenn etwa in der bankgenossenschaftlichen Sparte der Eindruck entsteht, diese organisatorische Zugehörig­keit werde gegen Übernahme von Geschäftsanteilen mit dem Versprechen einer Kapitaldividen­de „verkauft“. Durch Verblassen des personalistischen Elementes kann ein Klima entstehen, in dem für einen Teil der Trägerschaft die Institution „Mitgliedschaft“, die ein einzigartiges Pro­filierungsinstrument sein sollte, in die Nähe einer Gelegenheit zu rentabler Kapitalanlage rückt. Häufig wird eine Vernachlässi­gung des konstitutiven Elementes „Mitglied­schaft“ zum Aus­gangspunkt für einen umfassen­deren Konturverlust. Für ein positives Selbstver­ständnis wären demgegenüber eine Aufwertung der Mitgliedschaft und die identitätssichernde Wirkung weite­rer Differenzierungspotenziale notwendig.

(c)2017-2023 igenos Arbeitsgruppe: Grundsatzfragen / CoopGo

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