Bullay, den 21.Juli 2022. Perspektiven werden häufig erst aus einer Rückblende verständlich. Eine von igenos durchgeführte kleine Umfrage brachte interessante Informationen zutage. Für die Genossenschaftsinstitute an deutschen Universitäten gab es schon bessere Zeiten. Genossenschaftswesen war häufig als Lehr- und Prüfungsfach im wirtschaftswissenschaftlichen Studium etabliert. Wissenschaftliche Mitarbeiter promovierten zu einem auf das Genossenschaftswesen bezogenen Thema und wechselten danach nicht selten in die Genossenschaftspraxis. Die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis funktionierte erfreulich. Den universitären Genossenschaftsinstituten waren und sind bis heute Förderkreise angeschlossen, denen Genossenschaften meist aus dem Umfeld als Mitglieder angehören. Auf erweiterter Förderkreisebene finden Vortragsveranstaltungen mit regem Erfahrungsaustausch zwischen Wissenschaft und Praxis statt. Die Förderer tragen wesentlich zur Finanzierung der genossenschaftlichen Forschung und Herausgabe von Schriftenreihen zum Genossenschaftswesen bei. Kurz und gut: Das Zusammenwirken zum beiderseitigen Nutzen galt und gilt zum Teil noch als erfreulich. Überdies wirkten bekannte Juraprofessoren an der Vorbereitung von Novellierungen des Genossenschaftsgesetzes mit.
Das alles ist auf zwar nicht gänzlich abhanden gekommen, existiert aber mehr und mehr nur noch auf Sparflamme fort. Förderkreise schrumpften oder wurden aufgelöst. Und heute sind die Institute weniger als Begleiter und Ratgeber der Praxis gefragt. Wie konnte es dazu kommen? Dazu trug jedenfalls das Streben der Genossenschaftsverbände bei, als alleinige Dirigenten der Genossenschaftslandschaft zu fungieren. Durchaus produktive, aber eben auch kritische Töne der Genossenschaftswissenschaft erhielten den Anstrich von Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Genossenschaftsorganisation. In einem solchen Klima musste die Genossenschaftsforschung allmählich abmagern und als Klotz am Bein der Praxis empfunden werden.
Wie in einem Beitrag der GenoNachrichten vom 19. Juli „Deutsche Genossenschaftswissenschaft am seidenen Faden“ berichtet wurde, ist die Genossenschaftsforschung zu einem Randphänomen geworden. Mit dem darin erwähnten Thema Gemeinwohlorientierung von Genossenschaften haben auch die vorstehend angeführten Fakten zu tun. Die Zusammenarbeit mit den noch vorhandenen Genossenschaftsinstituten gibt naturgemäß wenig bis nichts für werbewirksame Öffentlichkeitsarbeit der Genossenschaftsinstitute fördernden Genossenschaftsunternehmen her. Dazu eignet sich jedoch hervorragend das als Event aufgezogene, unter Beteiligung der örtlichen Presse veranstaltete Präsentieren der Förderung von Vereinen und Wohltätigkeitsvereinen im jeweiligen Geschäftsumfeld. Ja, diese Unterstützungsarbeit zählt zur Gemeinwohlorientierung – und kaum zum Nutzen der Mitglieder der betreffenden Genossenschaften, die dem Genossenschaftsgesetz gemäß absolut vorrangig zu fördern sind.