Köln, 12. Mai 2022 (geno). Die Rechtsform „eingetragene Genossenschaft“ (eG) ist mit ihren ursprünglichen und ehernen Prinzipien in Deutschland ein äußerst gefährdetes juristisches Konstrukt. Die beneidenswert segensreiche Dreieinigeit von Selbstverwaltung, Selbsthilfe und Selbstverantwortung wird oft nicht nur strukturell benachteiligt, sondern herabgewürdigt, diffamiert und sogar bekämpft. Sie mutiert zur leeren Formel. Destruktive Kräfte und Interessengruppen nagen an der Genossenschaft an sich und versuchen ihre kreativen und zukunftsweisenden Wirkungen zu zerstören. An ihren einmaligen Wesensmerkmalen wird umhergeschraubt, abgeschliffen und manchmal werden sie bis zur Unkenntlichkeit verbogen.
In Deutschland ist dieser Trend besonders deutlich zu registrieren. Ein Grund dafür ist, dass die seit der Zeit des Nationalsozialismus mit allen Mitteln durchgeprügelte Gleichschaltung der Genossenschaftsbewegung bis in die Gegenwart wirkt. Die damals zum Beispiel erlassenen gesetzlichen Vorschriften gelten unvermindert weiter und werden von der bundesdeutschen Justiz bis in unsere Zeit angewandt. Erst unlängst hat ein Obergericht in Thüringen die Auflösung einer mehr als 150jährigen Konsumgenossenschaft unter Hinweis auf ein 1934 von den Nazis erlassenen Gesetzes angeordnet. Die Deformation der Genossenschaftsidee wird allerdings im Alltag in weniger auffälliger Gestalt vorangetrieben und in einem Meer von Paragraphen ertränkt. Ein besonders beliebtes und verführerisches Mittel sind sogenannte Mustersatzungen, mit denen Genossenschaftsmitgliedern das selbstständige Denken und Handeln abgenommen wird. Bis zu einem bestimmten Punkt sind solche meist von Genossenschaftsverbänden angebotenen Vorschläge zwar hilfreich, erweisen sich jedoch häufig als Selbstmord-Instrument.
Immer seltener greift die Genossenschaftsforschung in diesen stillen Niedergang ein und betätigt sich als aufklärerische Instanz. Mit einer der wenigen derartigen Interventionen greift Dr. Johannes Blome-Drees vom Seminar für Genossenschaftswesen der Universität zu Köln in diesen schleichenden Zerfalls-Prozess ein. In einem Endbericht „Potenziale und Hemmnisse von unternehmerischen Aktivitäten in der Rechtsform der Genossenschaft, der im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums vor sieben Jahren fertiggestellt wurde, nennt er acht Prämissen, um sich für die Genossenschaft zu entscheiden. Eine davon lautet: „Wenn der Wille und die Bereitschaft zu demokratischem Wirtschaften bestehen. Die Genossenschaft ist die maßgeschneiderte Rechtsform für Gründer, die eine demokratische Unternehmensverfassung bevorzugen, in der die Eigentümer nach Köpfen und nicht nach Kapitalanteilen abstimmen.“ ++ (rf/mgn/12.05.22 – 070)
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