Pfronten/Augsburg, 23. März 2022 (geno)Im äußersten Süden Deutschlands vollzieht sich ein genossenschaftshistorisches Spektakel von höchster Aktualität. Es geht um den Rechtlerverband und der Wald- und Weiderechtlergenossenschaft Pfronten eG. Der vor fast hundert Jahren gegründete Rechtlerverband Pfronten im Allgäu, der kürzlich diverse Verträge mit den umliegenden kommunalen Administrationen abgeschlossen hat, beweist seine Existenzfähigkeit seit dem neunten Jahrhundert immer wieder aufs Neue. Damals begann die erste Besiedlung durch das Roden der Pfrontener Mark. Daraus entwickelten sich die 13 Ortsteile, deren Markbriefe bis auf das Jahr 1403 zurückgehen. Die zur Einzelbewirtschaftung seinerzeit nicht mehr geeigneten und weiter entfernt gelegenen Flächen wurden von allen Siedlern gemeinsam genutzt. Dies bildete die Grundlage des heutigen Rechtlerverbandes.
In dieses vom hohen Mittelalter herkommendes System der Gemeinde des alten Rechts griff die bayrische Gemeindegesetzgebung von 1808/1819 ein. Die Regierung ordnete an, dass es nun zwei Gemeinden gibt. Nämlich Steinach Pfronten und Berg Pfronten. Das blieb so bis zum Jahr 1935. Danach wurden die beiden Kommunen durch das bayrische Staatsministerium wieder zu einer einheitlichen Gemeinde zusammengelegt. Im Zuge der diversen Entscheidungen musste es zwangsläufig zu einer endgültigen Klärung der Eigentumsfrage der in der Gemeinde Pfronten sowie in den Tiroler Gemeinden Vils, Grän, Zöblen und Schattwald gelegenen Grundstücke mit insgesamt rund 3.300 Hektar kommen. Nach langen und zähen Verhandlungen wurden dann im Jahr 1958 die 432 Rechtler als Eigentümer auf „unverdenklichen Besitzes“ ins Grundbuch in Bayern eingetragen und am 2. März 1959 in die Tiroler Grundbücher.
Laut Gründungsprotokoll vom 8. Dezember 1923 haben die damals 434 Anteilseigentümer der sogenannten Pfarrallmende den Rechtlerverband Pfronten gegründet.. Die 434 Besitzer waren die Nachkommen der ursprünglichen Anwesen in Pfronten, die bei der Vergabe der Hausnummern im Jahr 1784 schon bestanden. Nach 1784 wurde nur noch eine weitere Hausnummer und somit ein Recht vergeben. Seit diesem Jahr gehörte der gesamte Besitz rund um Pfronten zu diesen 435 Hofstellen. Dass die Rechtler und andere altrechtliche Gemeinschaften von höchster Aktualität sind, belegen beispielsweise Forschungen an der Universität Augsburg. Um das wichtige Thema dem Reich der Vergessenheit zu entreißen, kooperiert der Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Zivilverfahrensrecht, Römisches Recht und Europäische Rechtsgeschichte mit der Schwabenakademie Irsee.
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