Lüchow-Dannenberg, 28. Dezember 2021 (geno). Stolpersteine auf dem Weg zu einem Genossenschaftsdorf schildern Autoren des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ in dessen jüngster Ausgabe. Es soll eine Zukunftssiedlung sein, die in verschiedensten Facetten an der ziemlich unterschiedlichen Interessenlage der diversen Beteiligten hin und wieder zu scheitern drohte und droht. Sie hält den Anfechtungen immer wieder stand.
Mittlerweile leben 70 Menschen in dem völlig neu aus dem Boden gestampften Dorf bei Hitzacker im niedersächsischen Landkreis Lüchow-Dannenberg. Darunter sind 50 Erwachsene sowie 20 Kinder und Jugendliche. Sie alle leben in einer Utopie, die wahr wird. Fast jeder der aus allen Himmelsrichtungen stammenden Interessenten hat sehr eigene individuelle Vorstellungen. Beispielsweise Roman Seifert, der Anhänger der Solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi) ist. Er errichtet eine Anlage für Speisepilze und stört sich an der sorglosen Müllmixtur seiner Nachbarn. Eine Anwohnerin legt mehr Wert auf das Zusammenleben mit Flüchtlingen. Ein anderer – Ruheständler – will noch mal was ganz Neues in seinem Leben aufbauen. Alle wollen ein Dorf schaffen, das wächst und nicht schrumpft. Gleichzeitig soll über das Konstrukt einer Genossenschaft namens Hitzacker-Dorf bezahlbarer Wohnraum entstehen, der ökologisch und klimafreundlich ist. Und das in dem am dünnsten besiedelten Landkreis Westdeutschlands.
Die Idee entstand vor sechs Jahren, wurde zum losen Interessentenkreis und dieser zur Genossenschaft mit mehr als 100 Mitgliedern. Jetzt gibt es im Wendland südöstlich von Hamburg schon 14 Häuser. Unterschiedliche Lebensweisen der Neusiedler sind ausdrücklich erwünscht und erweisen sich nicht selten als Stolpersteine. Der Streit über das Impfen gegen Corona ist einer davon. Dennoch können die Meinungs- und Überzeugungsverschiedenheiten stets beigelegt werden. Ein Ursprungsziel, Migranten ein neues Zuhause zu bieten, liegt allerdings noch in weiter Ferne. Bislang sind erst zwei Flüchtlingsfamilien ansässig geworden. Warum im Hitzacker-Dorf freiwillig mit Lehm gebaut wird, ist eine unerwartete Frage Geflüchteter.
Nun steht die geradezu spontan zusammengewürfelte Gemeinschaft vor der fundamentalen Aufgabe, die innergenossenschaftlichen Demokratie zum Blühen zu bringen. Dazu schreibt „Der Spiegel“: „Der Preis des demokratischen Zusammenlebens ist heute, dass es für praktisch alles eine Arbeitsgruppe gibt. 25 sind es aktuell. Nicht nur für Finanzen und das kulturelle Zusammenleben, sondern auch für Gartengestaltung, den Wasserverbrauch und Wandbemalungen.“ Seit zwei Jahren gibt es ein Delegiertensystem, das für mehr Verbindlichkeit sorgen soll. Umgekehrt heißt das, das nicht mehr jeder bei allem mitreden kann.
Einsicht zeigt auch Hauke Stichling-Pehlke, der mittlerweile im historischen Ortskern von Hitzacker lebt. Er ist vor 30 Jahren in die Region gekommen, gehörte zur Anti-Atomkraft-Bewegung und ist einer der Gründungsväter der Genossenschaft. Er kandidierte im vorigen Jahr nicht mehr für den Vorstand. Das Dorfleben organisieren jetzt diejenigen, die dort auch leben. Vielleicht ein Schritt, um aus dem Hitzacker-Dorf tatsächlich ein demokratisches Erfolgsmodell zu machen. ++ (sl/mgn/28.12.21 – 163)
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