igenos e.V. hat ein Arbeitspapier vorgestellt, in dem der gesetzliche Förderzweck ausgearbeitet wurde, um Juristen in der juristischen Fachausbildung für Genossenschaftsrecht zu unterstützen. Entwickelt wurden die 12 Thesen zum gesetzeskonformen Umgang mit dem genossenschaftlichen Förderauftrag von der coopgo Initiative: ” Fachanwalt für Genossenschaftsrecht”. Der Anwaltskammer liegt ein vom MMW-CoopGo Verband verfasster Antrag vor. Der Hintergrund: Das Genossenschaftsrecht wird „vor Gericht“ häufig grob vernachlässigt bzw. regelrecht unterschlagen. Es geht vor allem um den gesetzlich vorgeschriebenen Förderzweck und die genossenschaftliche Mitbestimmung.
Die Entscheidungsfindung in einer Genossenschaft findet grundsätzlich an der Basis statt. Darum ist jede Genossenschaft aufgerufen, ihr eigenes, auf die jeweiligen externen und internen Umstände abgestimmtes Förderkonzept zu erarbeiten und umzusetzen.
Das Konzept muss auf die Bedürfnisse und Fördererwartungen der Mitglieder, auf die Marktlage und das Fähigkeitspotential der Kooperationsunternehmen abgestellt sein. Eine regelmäßige Befragung der Genossenschaftsmitglieder ist dafür notwendig, wobei noch juristisch zu klären ist, ob die Genossenschaftsmitglieder diese Befragungen selbst organisieren dürfen. Sie wären aber existentiell, weil sich die Mitgliederförderung nicht nach einem einheitlichen Schema gestalten lässt. Auf diese Weise kann und sollte jede Genossenschaft zu ihrem individuellen Förderportfolio finden, das wiederum ihre Attraktivität als Kooperationspartner ihrer Mitglieder herausstellt. Durch genossenschaftsindividuelle Konkretisierung wird der allgemeine Förderauftrag mit Inhalt gefüllt.
Der gesetzliche Förderzweck ist nicht spezifiziert, was Raum für Interpretation und Missdeutungen erlaubt. Er enthält nämlich keinen Förderungsauftrag im Sinne einer inhaltlichen Anweisung des Gesetzgebers an die Genossenschaft oder deren Leitung, der die Art und Weise der Mitgliederförderung vorgibt. Gesellschaften, die ihre Eigentümer fördern wollen, wird lediglich mit der „eingetragenen Genossenschaft“ eine dazu geeignete Organisationsform bereitgestellt. Daraus folgt, dass dadurch, dass der Gesetzgeber keinen Förderungsauftrag erteilt hat, er auch nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann, wenn man ihm vorwirft, nicht ausreichend geregelt zu haben, wie die Mitglieder aus einer Genossenschaft Nutzen ziehen können. Dies wäre aufgrund der Heterogenität der vorkommenden Genossenschaftsarten allerdings auch kaum möglich. Die Vielzahl der Modelle lässt keine generell gültige Handlungsanweisung zu.
Eine Ausnahme besteht für die numerisch stark an Bedeutung verlierenden Genossenschaftsbanken. Hier hat der Gesetzgeber in der Bundestagsdrucksache V/3500 die Mitgliederförderung präzise beschrieben, bzw. den gesetzlichen Förderzweck erläutert. ( Nach Scheumann, Mogelpackung Volks-und Raiffeisenbank, Seite 20 ff)
Aus der ansonsten nicht verfügbaren allgemein-verbindlichen Präzisierung des Förderauftrags entstand der Eindruck, die Genossenschaftswissenschaft habe sich nicht ernsthaft damit befasst, jedenfalls sei es ihr nicht gelungen, einen gangbaren Weg aus einer den Sinn und die Effektivität genossenschaftlicher Arbeit infrage stellenden Situation zu finden.
Bedauerlicherweise wurde der Vorschlag einer Operationalisierung des Förderungsauftrags in Genossenschaften mittels Förderplan und Förderbericht in der Praxis kaum beachtet. Nur in wenigen Genossenschaften kam das Konzept zur Anwendung. Ansonsten wurde weiterhin an der verbreiteten Überzeugung festgehalten, es bestünde keine brauchbare Möglichkeit, den Förderungsauftrag mit Inhalt zu füllen, und die Genossenschaftswissenschaft habe diesbezüglich „nicht geliefert“.
Dessen ungeachtet erscheint der als „kleine Lösung“ anzusehende Ansatz von Boettcher bis heute für alle Zweige des Genossenschaftssektors unvermindert geeignet. Ausgangspunkt war und ist, dass es sich bei der einer jeden Genossenschaft vorgegebenen Leitmaxime „Mitgliederförderung“ um einen unscharfen Rechtsbegriff im Rang eines allgemeinen Imperativs handelt, der keine Anleitung für die praktische Genossenschaftsarbeit zu bieten vermag. Aufgrund der unterschiedlichen Branchen- und Spartenzugehörigkeit, Standortbedingungen und Förderbelange vorkommender Genossenschaften verlangt die unbestreitbare Unbestimmtheit des Förderungsauftrags eine inhaltliche Konkretisierung, die jeder einzelnen Genossenschaft obliegt und ihren besonderen Gegebenheiten gerecht wird.
Förderung ist die von den Mitgliedern zu erwartende und in der Regel auch erwartete Leistung, die einer Genossenschaft ihr besonderes Gepräge gibt und in verschiedenen Nutzenkomponenten zum Ausdruck kommen kann. Für die Erstellung eines auf die einzelne Genossenschaft zugeschnittenen Förderkonzepts und dessen notwendige Anpassung ist die eigenverantwortlich agierende Genossenschaftsleitung zuständig. Das besagt keineswegs, dass das Management diese Aufgabe im Alleingang zu bewältigen hat. Im Gegensatz zum einzelnen Mitglied und der Gesamtträgerschaft verfügt die hauptamtliche Führung zwar über die notwendige Kenntnis der in den bearbeiteten Märkten sich abzeichnenden Trends, ebenso der in der Genossenschaft vorhandenen Ressourcen. Zum „Ausloten des Förderungsauftrags“ müssen jedoch der Leitungsebene die Bedürfnisse und Präferenzen der Mitglieder sowie deren Veränderungen bekannt sein. Die Mitwirkung der Mitgliederseite daran besteht in der Bereitstellung der ihren Förderbedarf anzeigenden Informationen. Darin inbegriffen ist die Chance, durch Einbringen der Mitgliederinteressen an der Konkretisierung des Förderungsauftrags durch das genossenschaftliche Management zu partizipieren. Der gesetzliche Förderzweck ist keine Sozialromantik.
coopgo Arbeitsgruppe: Cooperative Governance
Laut igenos Vorstand Gerald Wiegner geht es bei der wissenschaftlichen Förderauftrags Diskussion häufig nur darum den genossenschaftlichen Förderauftrag zu verschleiern bzw. zu verklausulieren. Die “Auftragsforscher” der Universitäten zu Münster und zu Köln bemühen sich seit Jahren den genossenschaftlichen Förderauftrag neu zu definieren. In diesem Zusammenhang hat sich eine intensive Diskussion um die sogenannte “genossenschaftliche Förderbilanz” entwickelt. Der genossenschaftliche Förderauftrag ist weder abstrakt noch Sozialromantik, sondern in der Bundestagsdrucksache V/3500 genau beschrieben. Eine Förderung der Region – also eine indirekte Förderung der Mitglieder – ist mit dem ursprünglichen, eindeutig formulierten Förderauftrag nicht zu vereinbaren.
Seit dem 22.Juli 2017 hat sich die Gesetzeslage verändert. Die Pflicht des Prüfungsverbands im neuen § 58 Absatz 1 Satz 3, im Prüfungsbericht zur Einhaltung des Förderzwecks Stellung zu nehmen, dient der Transparenz. Der Förderzweck stellt das charakteristische Merkmal der Rechtsform der Genossenschaft dar. Vorstand, Aufsichtsrat und die übrigen Genossenschaftsmitglieder sollen frühzeitig gewarnt werden, falls sich eine Genossenschaft von ihrem Förderzweck entfernt. ,Der Fall, dass eine Genossenschaft keinen oder keinen zulässigen Förderzweck mehr verfolgt, ist zwar in der Praxis äußerst selten, er kann aber sehr gravierende Folgen haben: Gemäß § 81 GenG kann die Genossenschaft aufgelöst werden und wenn eine unzulässige Dividendengenossenschaft vorliegt, könnte ein unerlaubtes Investmentgeschäft vorliegen, gegen das die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin einschreiten kann.