Halle an der Saale, 8. Juli 2021 (geno). Die in der DDR gegründeten Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften (AWG) gewinnen heute in der ostdeutschen Immobilienwirtschaft immer mehr an Gewicht. Zunehmend werden sie zu einem mächtigen Faktor innergenossenschaftlicher Demokratie. Sie enstanden seit den 1950er Jahren, nachdem der Arbeiteraufstand am 17. Juni 1953 die DDR in eine wohnungspolitische Krise geführt hatte. Es machte sich eine spürbare basisdemokratische Mitwirkung der Bevölkerung beim Bau und der Vergabe von Wohnungen erforderlich. Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland wandelten sich die AWG in eingetragene Genossenschaften bürgerlichen Rechts. Inzwischen greifen viele ihrer Mitglieder aktiv in die weitere Entwicklung ihrer Wohnungsgenossenschaft ein, wehren sich gegen Verkrustungen durch innergenossenschaftliche Hierarchien und wirken stärker an der Gestaltung der genossenschaftlichen Stadtquartiere mit.
Wie das vor Ort in Halle an der Saale in den vergangenen fast 70 Jahren ablief, schilderte der ausgewiesene AWG-Protagonist und -Spezialist Karl-Heinz Stieler gegenüber der Redaktion GenoNachrichten am Mittwoch. Er gehört zu den ersten Mitgliedern der AWG „Frohe Zukunft“ (FZWG) der Saalestadt, die im Jahr 1954 aus der Taufe gehoben wurde. Der 82jährige, der in Halle an der Saale und in Berlin studierte, hat seit der Geburtsstunde der FZWG an deren Wachsen und Gedeihen mitgewirkt. Seine Genossenschaftsanteile zahlte er seinerzeit in Gestalt eigener Arbeitsleistung beim Bau der Wohnungen ein. Er arbeitete in einer Ziegelei, deren Endprodukte er selbst beim Bau seiner Genossenschaftswohnung einsetzte. Gegenwärtig beteiligt sich Stieler an der künftigen Nutzung eines seiner Genossenschaft gehörenden, attraktiven Grundstücks im Hallenser Stadtzentrum. Dabei kommt es auch zu gravierenden Meinungsverschiedenheiten mit den Leitungsgremien. Manche Auseinandersetzungen werden auf ordentlichen und außerordentlichen Mitglieder- und Vertreterversammlungen der Wohnungsgenossenschaft ausgetragen.
Im Jahr 1988 gab es in der DDR eine Million AWG-Wohnungen. 1989 wohnte jeder 6. DDR-Bürger in einem solchen Genossenschaftsquartier. Der Anteil der Arbeiterwohnungsgenossenschaften am Wohnungsneubau der DDR betrug vor rund 60 Jahren 63 Prozent. Zu den ersten und bekanntesten Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften gehörte die am 24. März 1954 gegründete AWG des volkseigenen Transformatoren- und Röntgenwerkes Dresden. ++ (im/mgn/07.07.21 – 068)
www.genonachrichten.de, e-mail: mg@genonachrichten.de, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), tel. 0176 / 26 00 60 27