Die Volks- und Raiffeisenbanken firmieren überwiegend in der Rechtsform eingetragene Genossenschaft (eG). Es gibt auch Volks- und Raiffeisenbanken die in der Rechtsform Aktiengesellschaft (AG) firmieren. Alle betreiben das Bankgeschäft als Universalbankgeschäft und sind im Marketingverbund an den Dienstleister und Dachverband BVR (Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken ) angeschlossen. Sie unterscheiden sich in der Geschäftstätigkeit als Universalbank dabei auch nicht von anderen Bankengruppen, deren Mitgliedsbanken überwiegend in der Rechtsform AG firmieren.
Als einzige Bankengruppe haben die in der Rechtsform Genossenschaft firmierenden Volks- und Raiffeisenbanken nach § 1 GenG den allein dieser Rechtsform obliegenden gesetzlichen Pflichtauftrag zu erfüllen, ihre eigenen Mitglieder zu fördern. Definiert ist diese Förderung als Verzicht auf Gewinnmaximierung und stattdessen Gewährung von Vorteilen der Mitglieder bei deren Bankgeschäften. Da durch diese Mitgliederförderung eigentlich kein wesentlicher Gewinn entstehen kann, hat der Gesetzgeber im Genossenschaftsgesetz (GenG) bestimmt, dass ausscheidende Mitglieder – im Gegensatz zu Anteilseignern anderer Rechtsformen – keinen Anteil an den Rücklagen und sonstigen Vermögen der Genossenschaft erhalten. In der Theorie mag sich das zwar gut anhören, doch die Praxis des genossenschaftlichen Bankgeschäfts sieht vollkommen anders aus.
Ebenso wie andere Banken in der Rechtsform AG zahlen die Volks- und Raiffeisenbanken ihren Mitgliedern (Anteilseignern) auf deren gezeichnete Anteile eine jährliche Dividende. Und oft wird dies mit Mitgliederförderung verwechselt.
Ebenso wie andere Banken in der Rechtsform AG betreiben die Volks- und Raiffeisenbanken Gewinnmaximierung und häufen als eine der bestverdienenden Bankengruppe Riesenbeträge in Form von offenen und versteckten Rücklagen sowie stillen Reserven an. Eine Förderung der Mitglieder findet nicht statt. Die Rechtsform Genossenschaft wird missbraucht!
Wie sich dieser Missbrauch auswirkt wird besonders deutlich wenn man vergleicht was z.B. bei einer AG und eG im Fall des Ausscheidens geschieht.
Angenommen, durch die betriebene Anhäufung von eigenem Unternehmensvermögen besitzt eine Volks- oder Raiffeisenbank in der Rechtsform eG Rücklagen und sonstige Vermögenswert in Höhe von 100 Millionen Euro. Den gleichen Unternehmenswert besitzt eine Bank in der Rechtsform AG. Und ebenfalls angenommen wird, dass umgerechnet auf den einzelnen Anteil, der Anteil am Vermögen des Bankunternehmens das 20-fache beträgt.
In der AG besitzt ein Aktionär Aktien im Nennwert von 100,00 €, in der Genossenschaft besitzt ein Mitglied einen Geschäftsanteil von 100,00 €.
Beschließt nun der Aktionär aus der AG auszuscheiden, erhält er beim Verkauf seiner Aktien 2.0000,00 € ausbezahlt.
Beschließt das Genossenschaftsmitglied aus seiner Volks- oder Raiffeisenbank auszuscheiden, erhält es 100,00 € ausbezahlt, die restlichen 1.900,00 € behält die Bank für sich.
Ergebnis: Das Mitglied einer Genossenschaftsbank wird weder bei seinen Geschäften mit der Bank gefördert, noch erhält es bei seinem Ausscheiden aus der Genossenschaft einen Anteil auf zu seinen Lasten erwirtschafteten Vermögen der Genossenschaftsbank.
Und die Genossenschaftsverbände, die es nur gibt weil das Genossenschaftsgesetz sie extra dafür eingesetzt hat, die Einhaltung der Vorschriften des Genossenschaftsgesetzes zu prüfen, die Besonderheit der Rechtsform eG zu bewahren und bei Verstößen dazu einzugreifen, sind diejenigen, die massiv gegen ihren eigenen Auftrag verstoßen. Eigentlich müsste die zur Beaufsichtigung der Verbände eingesetzte Staatsaufsicht schon längst nach § 64a GenG tätig werden.
Georg Scheumann, genossenschaftlicher Bankbetriebswirt / Vorstand von igenos e.V.