Den nachstehenden Beitrag haben wir mit freundlicher Genehmigung des KMI Verlags aus dem Branchen Newsletter bank-intern übernommen. Es handelt sich um den Teil II des Beitrags: Morgen kann kommen. Der Teil 1 liefert die notwendigen Hintergrundinformationen. Teil 2 kommt zu dem Schluss, dass die Fusionspolitik der Volks- und Raiffeisenbanken keine Antwort auf zunehmende Digitalisierung des Bankgeschäfts seien kann. Es handelt sich nicht um eine Problemlösung, sondern um eine zeitliche und räumliche Problemverlagerung, die auch dazu dient die quasi Enteignung der betroffenen Genossenschafts Mitglieder zu kaschieren. Als Lösungsvorschlag wird die Umwandlung bestehender Bankgenossenschaften in Bürgergenossenschaften vorgestellt. Während bei einer Bankenfusion das Genossenschaftsvermögen ohne Wertausgleich verschenkt wird, besteht die Bürgergenossenschaft weiter. Die Bürgergenossenschaft trennt sich nicht von ihrem Eigentum, sondern lediglich vom Bankgeschäft.
Aktuell werden die rechtlich selbstständigen Genossenschaftsbanken zu immer größeren Einheiten verschmolzen. Wir fragen uns ob, diese im vergangenen Jahrhundert entwickelte BVR Unternehmensstrategie wirklich noch in unsere digitale Welt passt. Das Geschäftsmodell Genossenschaftsbank befindet sich am Scheideweg. Es geht und das große Ganze, den kooperativen Wandel. Genossenschaftsbanken müssen sich auf die Genossenschaftsidee zurückbesinnen, welche die Bedürfnisse des Genossenschaftsmitgliedes vor Ort befriedigen. igenos fordert einen sofortigen radikalen Kurswechsel und den Stopp der unsinnigen Zusammenführung vieler kleinerer Bankgenossenschaften zu immer größeren Milliardenbanken. Größe ist nicht die richtige Antwort auf die digitale Transformation. Im Gegenteil. Das Wundermittel für das genossenschaftliche Marktwesen heißt Kooperation, schlanke Strukturen und ein neuer, genossenschaftlich geprägter Führungsstil.
Jeder weitere Fusion wäre ein völlig unnötiger Zwischenschritt, der viel Zeit kostet und Kapital bindet. Er ist außerdem damit verbunden, dass unter den Augen der Staatsaufsicht eine Enteignung der jeweils Betroffenen unter den 18 Millionen Bankgenossen stattfindet. Die genossenschaftlichen Prüfungsverbände unterliegen zwar einer regelmäßigen und gesetzlich verordneten Qualitätsprüfung. Diese erweist sich jedoch zunehmend als untauglich, da sie nur die Formalien prüft, nicht aber das Handeln gemäß Genossenschaftsgesetz. Eine Qualitätsprüfung aus Mitgliedersicht impliziert, dass sich die Eigentümer der Genossenschaft darauf verlassen können, dass ihr zuständiger Genossenschaftsverband dahingehend geprüft wird, ob er die Spielregeln(*) der genossenschaftlichen Selbstverwaltung einhält und umsetzt. Wenn die Verbände gegen die Interessen der Genossenschaftsmitglieder handeln und die Organe der Genossenschaft korrumpieren, ist das System marode. Die BVR Fusionspolitik ist Teil einer Unternehmenspolitik des vergangenen Jahrhunderts, bei der man versuchte, lokale Marktanteile zu erhöhen und dadurch den Mittelstand der Region noch besser mit Finanzmitteln zu versorgen. Dieses Konzept hat nicht nur die Besonderheiten der Rechtsform Genossenschaft vorsätzlich unterschlagen, sondern auch die Augen vor globalen Trends verschlossen.
Inzwischen zeigt ein Blick in die Welt, wie sich die digitale Transformationen in Wirtschaft, Dienstleistungssektor und Gesellschaft entwickelt kann. In Schweden ist Bargeld mehr oder weniger abgeschafft, in Norwegen, Dänemark und den Niederlanden kaum noch verbreitet. Länder in Afrika oder Asien übersprangen ganze technische Evolutionsstufen, weil es auf dem Land keine Bankinfrastruktur geschweige Festnetztelefonie oder Faxgeräte gab. Bereits seit 20 Jahren ist auf dem afrikanischen Kontinent das Mobiltelefon die Bankfiliale und das Überweisen per Smartphone in Stadt und Land eine Selbstverständlichkeit. Der Mobilfunkanbieter wird zum Zahlungsdienstleister und die Zahlungsabwicklung erfolgt über Finanzplattformen. Vodafone arbeitet in der Subsahara Zone in sieben Ländern und setzt ca. 400.000 Kleinstagenturen ein, bei denen die Kunden ihre Bargeldeinzahlung vornehmen können. 86% der afrikanischen Vodafone Kunden nutzen das mobile Payment, Tendenz steigend. Auch in Deutschland ist es längst möglich, Abbuchungen über die Telefonrechnung durchführen zu können, z.B. von Käufen im Appstore. Über China muss in diesem Zusammenhang gar nicht geredet werden, hier sind digitales Einkaufen und Bezahlen längst miteinander verschmolzen.
Retailbanken müssen daher umdenken und zwar schnell. Genossenschaften sind die einzige Gesellschaftsform, in welcher der Mensch, das Mitglied, im Vordergrund steht und nicht das Kapital. igenos schlägt vor, die bestehenden Genossenschaften zu erhalten und die Verfügungsgewalt der Mitglieder zu erweitern. Das Bankgeschäft wird ausgegliedert, zentralisiert und über digitale Finanzierungsplattformen abgewickelt, auf die dann alle Genossenschafts-mitglieder direkt zugreifen können. Vor Ort wird ein mobiler Basisservice für die älteren oder sich der Digitalisierung verweigernden Mitglieder eingerichtet, um eine Grundversorgung zu ermöglichen. Diese können Agenturen übernehmen.
Die nunmehr ehemaligen Genossenschaftsbanken werden durch Mitgliederbeschluss in Bürgergenossenschaften umgewandelt. Diese Genossenschaft investiert ihr Kapital in neue Betätigungsfelder, zum Beispiel die lokale Energieversorgung oder in den Wohnungsbau, also Felder, die den Mitgliedern zugute kommen. Auch eine Unternehmensberatung in Kombination mit temporärer Unternehmensbeteiligung, bieten sich an. In dem Zuge denkt auch der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken und die ihm angegliederten Verbänden um. Er versteht sich nunmehr als Dienstleister des genossenschaftlichen Banksektors und betreut die neuen Genossenschaften partnerschaftlich.
Der Autor Gerald Wiegner ist Vorstand von igenos e.V. der Interessenvertretung der Genossenschaftsmitglieder und verantwortlich für die eng an den ICA angelehnte Marke CoopGo.
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