Schwache Genossenschaftsbeauftragte?

Berlin, 22. April 2021 (geno). Der Bundestagsabgeordnete und Genossenschaftsbeauftragte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), Klaus Mindrup, hielt am Donnerstag im Deutschen Bundestag zum „Welttag der Erde“ eine flammende Rede über nachhaltiges und klimagerechtes Bauen. Dass das in genossenschaftlichem Organisationsrahmen besonders gut gelingt, war allerdings nur zu erahnen. Er hatte lediglich am Rande erwähnt, dass ein Genossenschaftshaus das einzige Gebäude in der Berliner Oderberger Straße ist, dessen Dach mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet ist. Deshalb wissen nur Eingeweihte, dass Mindrup vor rund zwei Jahren zum Genossenschaftsbeauftragten der SPD-Bundestagsfraktion ernannt wurde. Seine diesbezügliche Wirkung ist daher überschaubar.

Obwohl die Rolle der Genossenschaften im Koalitionspapier des Rot-Rot-Grünen Berliner Senats besonders hervorgehoben wurde, hat der Genossenschaftsbeauftragte des Berliner Senats wenig Durchsetzungsmöglichkeiten. Das inzwischen auf 33 Mitglieder angewachsene Bündnis junger Genossenschaften schreibt in einer Bilanz nach rund viereinhalb Jahren zu seiner Existenz: „Zur Beförderung genossenschaftlicher Anliegen und Interessen innerhalb des Berliner Senats wurde von uns vorgeschlagen, einen dort verankerten und mit Kompetenzen ausgestatteten Genossenschaftsbeauftragten zu installieren. Seit Frühjahr 2019 gibt es ihn mit Dr. Jochen Hucke, allerdings ohne formelle hausinterne Anbindung. Daher bleibt die Funktion unter ihren Möglichkeiten und agiert der Genossenschaftsbeauftragte nicht auf Augenhöhe mit der Hausleitung der Senatsverwaltung. Auch ist er nicht in alle wesentlichen genossenschaftlichen Projekte von Amtswegen eingebunden. Das muss sich ändern und der Genossenschaftsbeauftragte mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet werden.“ Das Genossenschaftsbündnis betont, die Kritik erstrecke sich auch auf die Vorhaben zu den großen städtebaulichen Entwicklungsgebieten, wo Genossenschaften zwar ab und zu gehört, aber nicht im Sinne einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe in den Planungsprozess einbezogen werden. Das betreffe das Kurt-Schumacher-Quartier auf dem ehemaligen Flughafen Tegel, das Entwicklungsgebiet Michelangelostraße und die Bebauung der Buckower Felder. Von einem Genossenschaftsquartier, wie es die bayerische Landeshauptstadt München für 800 Wohnungen plant, sei Berlin noch Lichtjahre entfernt – trotz aller Beteuerungen des Senats.

Sogar die CDU ist in Sachen Genossenschaften aktiv. Ihr ist es gelungen mit Frans-Josef Holzenkamp einen waschechten CDU Politiker und Bundestagsabgeordneten als Präsident des DGRV (Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband) zu platzieren. Was macht ein CDU Bundestagsabgeordneter an der Spitze des DGRV? Interessenkonflikte sind vorprogrammiert, denn der DGRV ist der Spitzenverband der Raiffeisenorganisation und übernimmt die Interessenvertretung der im Raiffeisenverbund tätigen Genossenschaftsverbände.

Abschließend stellt sich die Frage, was haben Genossenschaften eigentlich mit der Politik zu tun? Genossenschaften brauchen dringend die Politik, um die Genossenschaftsidee voranzutreiben und optimale Bedingungen für die Mitgliederförderung zu erreichen. Sie brauchen keine Politiker, die nur der Form halber gewählt wurden oder reinen Verbandslobbyismus betreiben. ++ (ga/mgn/22.04.21 – 051)

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