Hamburg, dem 8.März 2021. Letzte Woche sorgte der Paradigmenwechsel der Hamburger Sparkasse, bereits ab 50.000 Euro Negativzinsen zu nehmen, für Aufsehen. Dem folgte am 08.03.2021 ein ausführlicher Artikel im Hamburger Abendblatt zum Bankenwesen (S. 30), der die Fusionspolitik der Volks- und Raiffeisenbanken überdenkenswert macht.
Die vom Abendblatt berichteten Entwicklungen sind nicht neu. Selbst die Haspa hat 2020 80 Prozent weniger Gewinn gemacht, von anderen Banken ganz zu schweigen. Trotz Einsparungen auf der Kostenseite – Filialschließungen Personalabbau – steigen die Kosten bei sinkenden Einnahmen. Das kann man nur teilweise auf externe Einflüsse zurückführen, wie Digitalisierungskosten, Regulierungskosten etc. Es fehlt das Geschäftsmodell. Mit dem Sinken der Zinsmarge werden die Banken im Kern getroffen. Die Erhöhung von Kontoführungsgebühren oder von Provisionen im Wertpapierhandel ist ein zweischneidiges Schwert angesichts einer Vielzahl von Wettbewerber. Gerade der boomende Aktienmarkt geht an vielen Banken aufgrund der neuen Tradingplattformen, wie TradeRepublic vorbei und Zahlungsdienstleister, wie PayPal oder Klarna, machen im kontaktlosen Bezahlen Konkurrenz. Immobilienkredite sind längst über Plattformen wie Interhyp oder Europace erhältlich und die Altersorge verlagert sich nicht nur auf ETFs und weg von gemanagten Anlageprodukten, sondern auch weg von den Banken, da ETFs ebenfalls problemlos über Tradingplattformen gehandelt werden können und es spezialisierte Anbieter gibt, die sich auf große Vermögen konzentrieren. Somit ist es absehbar, dass Bankfilialen in Zukunft andere Wege gehen müssen, um den Kontakt zum Kunden halten zu können.
Die Hamburger Sparkasse geht daher seit einiger Zeit bereits einen anderen Weg: Die Filialen werden zu Begegnungszentren. Es gibt Bürgertreffpunkte, Sprechstunden vor Ort von der Polizei (Enkeltrickbetrug), Bücherecken, Gastronomie, Schließfächer für Einkaufsbummel, Rabatte bei lokalen Firmen. Zudem wurde die Telefon- und Videoberatung ausgeweitet und auch die Online-Plattform ist komfortabel. Die Bank möchte sich auch abseits von Bankdienstleistungen unentbehrlich machen und den direkten Draht mit dem Kunden pflegen, denn wer zufrieden ist, wechselt nicht wegen ein paar Euro Kontoführungsgebühren die Bank. Klingt nach einem genossenschaftlichen Ansatz: Eine Bank für die Kunden und zusammen mit den Kunden.
Auch die Volks- und Raiffeisenbanken werden in dem Artikel des Hamburger Abendblattes erwähnt: So bieten einige in Nordrhein-Westfalen und Bayern bereits Hilfe bei Computerproblemen oder gießen im Urlaub des Kunden die Blumen. Ob das Geld bringt, ist sicherlich die Frage, aber es ist zumindest ein Mehrwert, der an die Genossenschaftsidee und ihr Prinzip der Mitgliederförderung anknüpft. Nur: Wie verträgt sich damit die Fusionspolitik, die unaufhaltsam weitergeht? Die Schließung von Filialen auf dem Land, die Konzentration auf wenige Großgenossenschaften, die Entwurzelung der Kunden, die ihren langjährigen Ansprechpartnern treu geblieben wären, wenn sie denn noch da wären?
Es ist eine der zentralen Forderungen von igenos e.V., der Vertretung der Genossenschaftsmitglieder, nicht die Genossenschaften zu fusionieren und aufzulösen, sondern per Mitgliederbeschluss den Geschäftszweck zu ändern. Das heißt unrentablen Filialen umnutzen, das Bankgeschäft zurückfahren, herauszulösen oder zu verkaufen und die Standorte als Bürger- oder Dorfgenossenschaft zu erhalten. Dieses Konstrukt würde dafür sorgen, dass die Mitarbeiter weiter beschäftigt wären und die Ortschaften ihren Mittelpunkt nicht verlieren würden. Für die Bank gäbe es nur Vorteile, sie könnten sich auf das Kerngeschäft konzentrieren. Da sind aber noch die Interessen der Prüfungsverbände. Sie würden ihre Felle davonschwimmen sehen und daher kann das, was für das Bankenwesen und die Genossenschaftsmitglieder nützlich wäre, natürlich nicht umgesetzt werden. Geld regiert die Welt. Schade, dass man dafür kaum noch Banken braucht.