Bullay, den 6.11.2020. Die Statistik der deutschen Genossenschaften weist aktuell 18,5 Mio. Mitglieder der Bankensparte aus. Diese sind als (1) Miteigentümer, (2) Beteiligungskapital-Geber und (3) Kunde dreifach mit ihrer Genossenschaft verbunden. Mit „ihrer“ Bank, die – wie in dieser Sparte üblich – neben dem Zweckgeschäft mit Mitgliedern ein mehr oder weniger ausgedehntes Fremdgeschäft mit Nichtmitgliedern betreibt. Da die Funktionen (1) und (2) für Außenstehende entfallen, besteht deren Verbindung zur Bank lediglich darin, dass sie (3) Kunde der Genossenschaft sind. Die Zahl dieser „Nur-Kunden“ reicht bei nicht wenigen Bankgenossenschaften an die Mitgliederzahl heran, übertrifft diese in Ausnahmefällen sogar.
Wer nun denkt, die Mitglieder würden aufgrund ihrer dreifachen Beteiligung an der Genossenschaft geschäftspolitisch eine Vorzugsbehandlung gegenüber den Fremdkunden erfahren, erliegt einem Irrtum. Was die Konditionen (Zinsen, Gebühren etc.) angeht, ist meist eine Gleichbehandlung beider Zielgruppen an der Tagesordnung. Mit der rechtlich nicht haltbaren Begründung, die Nichtmitglieder dürften nicht durch Besserstellung der Mitglieder „diskriminiert“ werden.
Um den Mitgliedern doch noch einen vorzeigbaren Vorteil zu gewähren, konnten sie in der Vergangenheit mit einer Dividende auf ihre übernommenen Geschäftsanteile rechnen. Eine solche „Kapitaldividende“ ist zwar strittig, weil die Mitglieder gemäß § 1 Abs. 1 des geltenden Genossenschaftsgesetzes „durch gemeinschaftlichen Geschäftsverkehr zu fördern“ sind. Gleichwohl wurde mit dieser Dividende bisher für den Beitritt zur Bank geworben, stellte sie doch den einzigen wahrnehmbaren Vorteil des Mitgliedes gegenüber dem Nichtmitglied dar. In einer in dieser Sparte üblichen jährlichen Höhe zwischen 5 bis 10 Prozent häufig auch stabil bleibend verteilt und als Entschädigung für die zinsfreie Überlassung ihrer Kapitalbeteiligung an der Bank bezeichnet, ließ die Mitglieder über die ansonsten praktizierte Gleichbehandlung hinwegsehen. Dem gesetzlichen Förderauftrag des § 1 GenG zuwider, was aber kaum jemanden störte, wurde die Mitgliedschaft für Viele zur günstigen Kapitalanlage.
Wäre noch anzumerken, dass die Mitgliederversammlung (General- bzw. Vertreterversammlung als Akt der genossenschaftlichen Selbstverwaltung jeweils über die Höhe der Gewinnverteilung an die Mitglieder zu entscheiden hat, wobei der Vorstand sein Vorschlagsrecht nutzt.(*) Dies gehörte bis zum heutigen Tag zu den Aufgaben des mit Mitgliedern besetzten Organs. Voraussetzung für den Anspruch der Mitglieder auf eine Dividende ist, dass nach Zuweisung des per Satzung festgelegten Teils des Jahresgewinns ein verteilungsfähiger Gewinn verbleibt oder andernfalls durch Auslösung eines Teils der freien Rücklagen das benötigte Verteilungsvolumen bereitgestellt wird.
Wie in den GenoNachrichten vom 12. Mai dieses Jahres berichtet, hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in einem Akt der Selbstanmaßung von den durch dieses staatliche Kontrollorgan und den Bundesverband (BVR) straff geführten Volks- und Raiffeisenbanken den vorläufigen Verzicht (bis mindestens Oktober 2020) auf die Ausschüttung von Gewinn an die Mitglieder für das Jahr 2019 gefordert. Dazu ist aus heutiger Sicht kritisch nachzutragen:
1. Die als Empfehlung der BaFin getarnte Forderung wurde mit „diesen schweren Zeiten“ – damit konnte nur die Corona-Krise gemeint sein – begründet. Verbunden mit der Warnung „Wer aber entgegen aller Empfehlungen … Dividenden ausschüttet, der sollte sich fragen, ob er noch das volle Vertrauen der Bankenaufsicht verdient.“ Was eher als Drohung denn als Empfehlung oder Erwartung zu empfinden war.
2. Das erst um den Jahresbeginn 2020 ausgebrochene und bekanntgewordene Virus kann auf den Geschäftsverlauf und das Jahresergebnis des Jahres 2019 keinen Einfluss gehabt haben. Somit macht die Empfehlung keinen Sinn. Die VR-Banken haben wie in den Vorjahren Gewinne erwirtschaftet und ausgewiesen, so dass kein Grund gegeben war, die übliche Ergebnisaufteilung auf Rücklagenzuweisung und Dividendenausschüttung auszusetzen.
3. Unter diesen Umständen kann die BaFin-Empfehlung nur als willkürlichen Angriff auf die demokratisch verfasste „eingetragene Genossenschaft“ und deren durch das Genossenschaftsgesetz garantierte Selbstverwaltung verstanden werden. Mit Giovanni Trapattoni, dem früheren Trainer von Bayern München, gesprochen: „Was erlauben BaFin?“. Ihrer angemaßten Allmacht gewiss bekundete diese Kontrollinstitution, jeden Respekt vor dem Genossenschaftsgesetz (falls vorhanden gewesen) abgelegt zu haben.
4. Diese Bewertung resultiert daraus, dass die Empfehlung der BaFin an alle VR-Banken gerichtet war, ob sie nun 2019 einen (an die Mitglieder) verteilungsfähigen Gewinn erwirtschaftet haben oder nicht. Weshalb sollte bei guter Gewinnlage dennoch auf die Dividendenausschüttung verzichtet werden? Wozu sollte der dafür vorhandene Gewinn stattdessen Verwendung finden?
VR-Banken, die vom erzielten Jahresergebnis her wie bisher eine Dividende verteilen könnten, dies aber unterlassen, um befürchteten Sanktionen der BaFin zu entgehen, verweigern ihren Mitglieder den einzigen wahrnehmbaren Vorteil ihrer Mitgliedschaft. Rechenhaft denkende Mitglieder könnten, von der Unterwerfung ihrer Bank unter den Willen der BaFin enttäuscht, ihre Mitgliedschaft kündigen und sich ihre Kapitaleinlagen auszahlen lassen. Weil sie den auf unzulässige Weise Macht ausübenden Eingriff der BaFin in ihren Kompetenzbereich als Eigentümer nicht irgendeiner Bank, sondern einer Bankgenossenschaften und eine Aushebelung der genossenschaftlichen Selbstverwaltung entschieden missbilligen. Wozu sollten sie noch Mitglied einer solchen Genossenschaft bleiben? Für sie ist, dazu passend aus der Wutrede von Trapattoni: Die „Flasche leer“ und „Ich habe fertig“. Über die Individualsicht hinaus stellt sich die Frage, wer eine solche Genossenschaft, die immer mehr eine Bank wie jede andere geworden ist, noch braucht.
(*) Hierzu folgt noch ein gesonderter Beitrag.
Verfasser: igenos Arbeitskreis: Grundsatzfragen
1 Kommentar.
Sehr schön auf den Punkt gebracht. Ist die Rechtsform eG wirklich noch geeignet einen Bankbetrieb zu führen?